Freitag, 9. Mai 2014

Eine Mauer ohne Segler

Jetzt steht die Sonne bereits wieder so hoch, dass ich meinen Morgen-Kaffee auf unserer Steinbank an der Hausmauer zur Piazza einnehmen kann. Obwohl es immer noch für die Jahreszeit viel zu frisch ist, tue ich das gerne in Erwartung der Gratis-Flugschau, die mir meine hektischen, kleinen, gefiederten Freunde seit Jahren bieten...

Da dachte ich, sie seien noch in der Trainingsphase, weil sie zu spät angereist waren - wie die "Zweitbeste" und ich. Zehn, zwölf der Flug-Künstler rasten kreisend wie irre im engen Geviert zwischen unserem Haus und der Burgmauer teilweise auch im Tiefflug hin und her. Immer wieder steuerten sie gegenüber ihre altbekannten und möglicher Weise auch ihrem Instinkt vererbten Brutplätze mit Vollgas an. Es wollte ihnen aber partout nicht gelingen, wie sonst mit Schmackes in die Mauerritzen einzudringen. Sie klatschten ein ums andere Mal ziemlich schrecklich gegen die Wand.

Eine Zeit lang sah ich diesem unglückseligen Treiben kopfschüttelnd zu, dann rief ich zu ihnen hinauf:
"Was seid ihr denn für maue Segler geworden - ihr Mauersegler!"

Eine gute halbe Stunde sah ich ihren beinahe Bruchlandungen zu, dann (Achtung Witz!) "schwante" mir Böses. Ich nahm meine Lesebrille ab, die ich noch vom Kaffee-Kochen auf hatte und erkannte das Dilemma der Vögel. Schlagartig fiel mir auch ein, dass mir die "Zweitbeste" von zerschellten Eiern am Fuße der Mauer berichtet hatte, als sie die verwahrlosten Piazza-Pflanzen wieder auf Vordermann bringen wollte. 

Weder die samtpfotigen Lazaro  und Ginger konnten das gewesen sein, noch einer von den wohl immer noch mehr oder weniger kältestarren Geckos. Von Menschenhand hineingestopft steckten in sämtlichen Nistlöchern passende Felsbrocken. Kein Wunder, dass sich die kleinen Kerlchen ihre Schnäbel wund stoßen mussten, ehe sie es kapiert hatten...

Jetzt kommen sie natürlich nicht mehr. Ich kann sie nur noch von der Terrasse aus hoch am Himmel bei ihrer über 100 Kilometer schnellen Jagd nach Insekten beobachten und dabei Überlegungen anstellen, wer so etwas macht:

Gut, die Raser sind keine Singvögel. Wie sollen sie auch bei dieser Hatz und ihren komplizierten Flugmanövern denn noch tirilieren? Aber wen stört das Gekreische derart, dass er eine lange Leiter anlegt, um seine neue Siedlungspolitik durchzusetzen, während er gleichzeitig zu deren Fuß die herrlichen Pflanzen dem Verdorren preis gibt? Einen Pflanzenschmuck, für den unsere Piazza auch bei auswärtigen Wanderern und Besuchern beliebt ist und sie zur Rast am Brunnen lädt...

Derart harmoniebedürftg dürften eigentlich auch die musischsten Menschen nicht sein!

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