Samstag, 3. Mai 2014

Der Hund in der Brandung

Bei Aregai *) gibt es einen Sandstrand, der in der Vor- oder Nachsaison gerne übersehen wird. Da sitze ich gerne vor oder nach einer Tour auf unserem herrlichen Rad-Fernwanderweg, der auf der Strecke der aufgelassenen Küstenbahnstrecke bald durchgehend bis Ventimiglia führen wird. Ich entgehe dort auch mit meinem Auto der neoligurischen Wegelagerei mit den Parkgebühren, wie sie am Einstieg in San Lorenzo seither praktiziert wird. Manchmal springe ich samt den durchgeschwitzten Radklamotten sogar ins Wasser und lasse sie dann mit Meerblick auf der Haut trocknen.

Im vorletzten Herbst, in dem die Wellen meist so hoch und wild waren, dass ich mit dem Boot nicht auslaufen konnte, hatte ich dort ein Erlebnis, das mir gerade heute in den Sinn gekommen ist:

Ein bildschöner Pastore Tedesco,  kein Deutscher Pastor, sondern ein hier gezüchteter Deutscher Schäferhund, wurde nicht müde, den von seinem Herrchen in die wuchtige Brandung geworfenen Ball mit Geschick einzufangen und wieder an Land zu bringen. Es schien ihm überhaupt nichts auszumachen: Weder, dass er ein ums andere Mal in den Schleudergang der Brandung geriet, noch, dass seine Augen und Nüstern total vom Salz verklebt gewesen sein mussten...

Dann auf einmal passierte etwas unter Wasser,  das ihn quasi einen Todesschrei ausstießen ließ und so lähmte, dass die Wellen ihn wie ein hilfloses Bündel an den Strand warfen. Das Herrchen war für einen Moment erstarrt, als ich schon auf das Fellbündel zu lief. Ich dachte natürlich sofort an eine Meduse mit ihren Nesselfäden. Aber als wir das Tier bargen, war die Ursache schnell gefunden. Ein spitzer Holzzapfen war tief in seine rechte hintere Pfote gedrungen und er blutete heftig. Der Hundehalter zog ihn sofort heraus, was für das Prachttier gleich das Signal war, sich heftig loszumachen und sofort wieder auf die eigenen Beinen zu stellen. Wie ein Gladiator humpelte der Hund nach ein paar Minuten mit seinem Herrchen - verletzt aber nicht geschlagen - über den Strand  heimwärts...

Ein paar Tage später war ich wieder an jenem Strand, und der Hund tobte erneut durch die Wellen, als sei nichts gewesen. Nur wer von der Verletzung wusste, konnte merken, dass er das rechte Hinterbein nicht belastete und seine gesamte, leidenschaftliche Motorik mit den drei gesunden Beinen bediente.

Wieso ich gerade heute daran denke? Bei unserem ursprünglich geplanten Abreise-Termin hatte ich mir beim Packen und Kofferschleppen einen langen Muskelriss über dem linken Knie zugezogen, der wegen der neuerdings geschluckten Blutverdünner zu einem Handball großen Erguss geführt hat.

In meinem ganzen Leben mit und für den Sport war ich natürlich von diversen Rissen nie verschont geblieben, aber keiner hat mich derart geplagt wie der aktuelle. Acht Wochen Heilungsprozess haben diverse Ärzte prognostiziert. Ich entdecke durch die Schmerzen beim Treppauf Treppab hier in der Burg auf einmal kleine Stufen, die ich zuvor noch nie wahrgenommen hatte...
Früher - denke ich - hätte ich diese Verletzung wie nix weggesteckt. Aber ganz offensichtlich habe ich den Schäferhund in mir verloren. - Wirklich schade, dass ich nicht vier Beine habe!

*) Nicht bei Costarainera - wie in der bisherigen Fassung beschrieben - liegt dieser Strand, sondern zwei Küstengemeinden weiter Richtung Sanremo in Aregai. Leider wurde er im vergangenen Winter ein wenig verbaut, wie ich mich heute vergewissern konnte... der Blogger am 6- Mai 2014

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