Dienstag, 28. Juni 2011

Von rechten Wegen, Rechtswegen und Wegerechten

Das große und das kleine Lamento              Ölkreide auf Büttenpapier
   

Jetzt brennt sie wieder unbarmherzig aus klarem Himmel. O sole mio! Und da wird einem mitunter im gleißenden Licht klar, dass auch hier oben im Borgo nicht alles eitel Sonnenschein ist. Auf dem Weg zu den Mülltonnen an der oberen Piazza hängt an einer Tür eine Mitteilung  der Gemeinde: Es sei gelungen, das Straßen-Konsortium zur Einigung über die Instandhaltung der oberen Ortszufahrt zu bewegen. Alle Konsorten hätten pünktlich eingezahlt, aber die Baukosten würden vermutlich eine weitere Vorauszahlung erforderlich machen...

Vor Jahresfrist herrschte wegen des Sträßchens, das über mannigfalitgen Privatbesitz führt, noch eine Art Krieg unter den Alteingesessenen. Der wurde laut Ohrenzeugen derart in verbalen Abgründen aller in der italienischen Sprache vorkommender Injurien ausgetragen. dass, wer die Protagonisten und ihre Engstirnigkeit kennt, einen dauerhaften Burgfrieden bezweifelt. Der Streit gipfelte vorerst darin, dass einer, der zur Feuerwehr gute Beziehungen hatte, das letzte Stück der Straße einfach wegen einer abgestürzten Olivenbaum-Wurzel, die den Asphalt aufgerissen hatte, sperren ließ. Alle hielten sich natürlich furchtsam an die Sperrung. Nur ihr Verursacher nicht, der - begeleitet von einem teuflischen Gelächter - mit seinem japanischen Fourwheeldrive weiter über die angeblich marode Straße preschte.

Ich habe im  nach Neujahr total leeren Borgo auch schon mein Lehrgeld bezahlt, weil ich meinen Wagen für ein paar Nächte nach dem Ausladen oben stehen gelassen hatte. Eine Alufelge samt Reifen nusste dran glauben, und meine Türschlösser waren mit Kitt verklebt. Gut, dass die Fernbedienung für den Öffnugsmechanismus funktionierte. Andere büßten mit rund um zerkratzten Karosserien.Anzeige gegen unbekannt zu erstatten, hat wenig Sinn, weil jeder ja weiß, wer dahinter steckt. Wer will schon einen 90jährigen bösen Burggeist verfolgen, der sich notfalls auf  Demenz beruft.

Wer sich auf die Burgstruktur einlässt, lernt entweder schnell Geduld oder verliert auf verschlungenen Rechtswegen vielleicht mehr Geld als das Streitobjekt am Ende wert ist. Ein Beispiel ist meine Außentreppe zum eigentlichen Haupteingang, auf der ein in dieser Enge übliches "diritto di passaggio" , ein Wegerecht unserer Nachbarin liegt. Die Treppe führt nämlich gleichermaßen zur verfallenen, aus der Angel gekippten Tür im ersten Stock ihres Schuppens. Alle Versuche, sie zur Reparatur und Verschönerung zu bewegen, schlugen neun Jahre lang fehl. Dann im Zuge des allgemeinen Baubooms von Ferienwohnungen, fiel es Donna Eulalia ein, aus ihrer "remissa" eine Ferienwohnung machen zu wollen. Sie ließ das Dach neu decken, setzte ein großes Fenster ein und gestaltete den Innenraum maisonettenartig. - Bis ihr einfiel, dass sie ja für die oben gelegene Küche und den Pellett-Ofen an kalten Tage einen Kaminabzug braucht, der mindestens so hoch sein muss wie der unsere, zwei Stock höher gelegene.

Wohl gemerkt: Ich habe ihr nicht untersagt, den Kamin an unserer Südwand hochzuziehen, sondern meine Zustimmung davon abhängig gemacht, ihr Bauvorhaben mittels einer Blaupause genehmigen zu lassen und dabei dann zu entscheiden, was mit der dann ja nutzlosen oberen Tür geschehen solle... (?!)

Der historische "Wandel durch Annäherung" hat ja in unserem einst geteilten Land auch mehr als ein Jahrzehnt gedauert. Wir und Eulalia nähern uns an. Wir gehen von Jahr zu Jahr immer freundlicher miteinander um, weil wir ja Zeit haben. Aber andere sind rastlos und daher oft auch  schnell rechthaberisch. Ein verweigertes oder strittig behindertes Wegerecht kann aber dann plötzlich wie ein Bumerang auf einen zurück rasen. Wie am westlichen Abhang des Ortes, der sich gerade beängstigend - und aufwendig renovierte Baussubstanz bedrohend - senkt. Unter den betroffenen Häusern liegen Gärten, die seit Jahrhunderten zu Häusern im Inneren des Borgos gehören und zu denen Wegerechte gewährt werden müssen, die manchen Neubesitzern stets ein Dorn im Auge waren.

Das war aber das verhältnismäßig kleine Lamento, was sich da bei der notgedrungenen Gewährung erhob. Nun droht das große Lamento: Denn um die Mauern und Häuser mit Stahlträgern und Vormauern abstützen zu können, müssen die Bautrupps der Hausbesitzer mit den schweren Maschinen in die alten, liebevoll angelegten Gärten, die dabei erst einmal zerstört werden...

Da könnte sich nun jedes früher im Streit ums Wegerecht falsch gewählte Wort  rächen. Denn Zeit, das ganze vor Gericht auszufechten, bleibt nicht. Es zeigen sich erste Risse in den Wänden, und die alte "Burgmauer" hat sich ja schon einen halben Meter gesenkt.

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