Mittwoch, 8. Juni 2022

Nix los!

Die Anrufe aus der Heimat laufen eigentlich immer nach dem gleichen Fragen-Schema ab: Wie geht's? Alles in Ordnung bei euch? Was macht ihr denn so den ganzen Tag? Gibt' was neues? Antworten: Ja, ja, ne ne!
Die Fürsorglichste und ich lieben es, uns über den Ereignisreichtum unserer Tage hier oben nicht weiter auszulassen, damit die Freunde und Adepten erstens nicht neidisch werden und uns zweitens nicht für komplett durchgeknallt halten. Hätten wir gesagt, dass der gestrige Tag unglaublich ereignisreich gewesen war, wären wir gezwungen gewesen, alles detailliert zu schildern, So sagen wir einfach: passiert ja nix!

Oder wie würden meine Leserinnen und Leser durch folgenden Tagesablauf wohl gelangweilt:

Betörend duftend, aber
einmal unbeobachtet
los geklettert, hält
den Kletter-Jasmin nichts mehr auf
Quelle: as-garten.de
In den Morgenstunden werde ich durch den betörenden Duft der beiden Kletter-Jasmine an den Nachbarhäusern geweckt. Jasmin ist für mich schon immer der Trigger für den Beginn der heißen Jahreszeit gewesen, Da ändert auch der Klimawandel durch sein ständig wechselndes Wetter nichts. Mein Kopfkissen liegt ja quasi auf der Regenrinne des gegenüber liegenden Hauses, dass nun schon seit Jahren kaum noch bewohnt wird, Im vergangenen Jahr schwärmten da noch emsig sammelnde Wildbienen vom Morgengrauen bis in die Dämmerung aus dem Kamin. Heuer hüpft mir die emsig fütternde Blaumerle auf der Nase herum. Kann einer schöner noch einmal weiter schlafen?

Meine Frau hört leider nicht mehr so gut, dafür sieht sie mit ihren neuen Linsen wie ein Raubvogel. Ich hingegen bräuchte für verschieden Entfernungen mehrere Brillen. Aber ich höre sprichwörtlich Flöhe husten und kann daher quasi mit den Ohren sehen. An einem ausgestorbenen Tag wie gestern komme ich mir bei meinem Morgenkaffee auf der Piazza-Bank vor wie ein Karajan im Konzert der animalischen Laute. Denn natürlich achten alle auf mich und was ich tue, Rechts summen Nektar-Sammler in den gerade aufgebrochenen Blüten des Oleander. An mir vorbei zischen für die Perkussion die fast an meinen Kopf prallenden Mauersegler im Tiefflug ihre unsichtbaren, in der Burg-Wand versteckten Nester ansteuernd. Schlaff, schlaff, plusch  verschwinden mit kaum gebremsten Tempo. Von der Dachrinne unseres Haues beobachtet eine anderes Blaumerlen-Paar tirilierend die ersten Flugversuche ihres Nachwuchses, während klitzekleine Finken, die ich bisher nicht bestimmen konnte, im Chor dazu zwitschern.

Als meine Frau von der Cantina auf die Piazza hochkommt, verstummt das Konzert. Sie berichtet  erstaunlich ungerührt, dass sie gerade ein mittelgroßes Exemplar der hiesigen, laubgrünen Riesen-Ringelnattern beobachte hat, die von der Gasse in Richtung Fredos Garten verschwunden ist: "Hoffentlich hat die nicht die Jungvögelchen erwischt."

Elaphe longissima: Bis zu zwei Meter lang, hier
 in den Valle d'Olio  oft giftgrün aber ungefährlich,
ist die Äskulapnatter die größte Schlange Europas-
Quelle:äskulapnatter- biologieseite.de

In der Hitze des Nachmittags hält offenbar auch die Tierwelt eine Art Siesta. Deshalb klingen die Kirchenglocken viel lauter und holen zumindest mich aus dem Nachmittags-Schläfchen. Wieder ist der Himmel voller Segler, Ach, wenn die sich denn auch der Mücken widmen könnten, die nun in kleinen Geschwadern über meine Frau herfallen, weil sie gerade die Piazza-Pflanzen gegossen hat. Zum Abendessen vor dem Haus erscheint sie in einer Duft-Schwade von Mückenspray. Was aber nichts daran ändert, dass ich nicht einen Biss abbekomme. Das war schon immer so, aber drinnen essen wollen wir dennoch nicht.

Zum Abschluss dieses ereignislosen Tages kommt die Familie Berg Stelz auf unsere Dachterrasse und führt  auf der Brüstung in der untergehenden Sonne ihren Nachwuchs vor. Die haben wohl damit gerechnet, das meine Frau für sie schon die Bade-Saison eröffnet. Aber die gewohnte Wasser-Schüssel ist noch leer. Es war ja noch nicht heiß genug gewesen...

Wie eine Bachstelze mit kurzen Beinen.
Dieser Berg Stelz stand mir auf dem
Fensterbrett meines Arbeitszimmers Modell

Soll ich etwa den Anrufern solche Nichtigkeiten erzählen? Da sage ich doch lieber: Nix los!



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