Montag, 6. Juni 2022

Aus dem Gleichgewicht

 Von den Schlaumeier-Sprüchen, die sich in letzter Zeit mehren, geht mir einer besonders auf den Zeiger:
Wer zu sehr in der Vergangenheit lebt, verpasst die Zukunft.
Eigentlich könnte der logisch doch nur für Menschen in der Lebensmitte gelten, woran auch immer sich die festmachen lässt. Wenn jemand nur 60 Jahre alt würde, hätte so ein Mensch seine Lebensmitte ja schon mit 30. Jenseits so eines fiktiven Moments schrumpft dessen Zukunft dann schon täglich. Die Vergangenheit jedoch wird immer länger. Sofern also ein inhaltreiches Leben geführt wird, gewinnt das Erlebte mehr und mehr an Bedeutung...

Quelle: de.freepik.com

Offenbar haben sich die Mächtigsten dieser Erde vor lauter in die Zukunft schauen, nicht genug mit der Vergangenheit - sprich Geschichte - dieses Planeten auseinander gesetzt. Ansonsten wäre das Leben auf ihm nicht derart aus dem Gleichgewicht geraten. Wer will denn in Zukunft noch auf dieser Erde leben, wenn wir zerstören, anstatt zu erhalten. Wenn wir immer wieder die Grenzen des Machbaren rücksichtslos ausloten und dann aber aus Unwissenheit tödliche Fehler wiederholen.

Immanuel Kant
1724 - 1804
Der Mangel an Geschichtsbewusstsein - also das ungebildet sein - ist der eigentliche Grund, wieso sich Geschichte immer wiederholt. Selbst alle unsere technologischen Errungenschaften führen ja nicht dazu, dass sich das Grundmuster des Homo Sapiens (des wissenden Menschen) wesentlich ändert. Ob einer mit der Keule auf den Kopf bekommt, mit einer Granate oder am Ende atomar verdampft wird ist faktisch kein Unterschied: tot ist tot! 

Sapere aude! Wag ja nicht, zu wissen! Sagten vor Immanuel Kant schon die alten Römer.

Bei Menschen in meinem Alter macht sich im Moment der krasse Fatalismus breit, weil unser bisheriges Leben nur von gewissen, entfernten Bedrohungen begleitet wurde. Aber offensichtlich waren wir in unserem Friedens-Kokon nicht mehr auf das Unfassbare vorbereitet. Genauso wie wir ja gedankenlos Ressourcen  ausgeschöpft haben, von denen wir ja längst wussten dass sie so endlich sind wie unser Leben.

Nehmen wir die Neonazis oder Putin mit ihren Geschichtsklitterungen. Sie biegen sich halbgare Fakten zu einer ideologischen Beweislage zurecht. Wer dieser widerspricht, wird im besten Fall wieder zuerst nur angepöbelt. Im schlechtesten Fall verschwinden die Widersprechenden auf immer in einem Todeslager...

Will mir da einer verdenken, dass ich lieber an all die einzigartigen Erlebnissen meines privilegierten  Lebens zurück denke, als zu analysieren, was aus der Welt wohl werden könnte? Ich kann ja nichts mehr ändern an meiner Angst vor der Zukunft. Ist ja ohnehin nicht mehr lang hin.
Aber ich denke dabei mit wenig Hoffnung immer wieder an eine Erzählung meines Vaters. Dessen Urgroßvater hätte seinem Vater auf dem Sterbebett folgendes prophezeit: Jungchen - die Menschen haben viel erreicht, aber fliegen werden sie nie!

Der motorisierte Wright-Glider 1908
Quelle:wikipedia

Da hatten die Gebrüder Wright ihren Gleiter schon mit einem Motor ausgerüstet.  Kaum zehn Jahre später brach der Erste Weltkrieg aus, in dem erstmals Flugzeuge als Kriegswaffen eingesetzt wurden.

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