Freitag, 3. Juli 2015

Mampfen mit dem Maresciallo

Von den wenigen sozialen Pflicht-Terminen, die uns noch bleiben, ist der 2. Juli alljährlich die größte Herausforderung: Egal wie heiß es gerade ist, die Knoblauch-Messe von Vessalico wollen wir auf keinen Fall versäumen.

Und gestern war es sehr heiß. 34 Grad im Schatten, den die Stände, die sich mittlerweile über die antike Brücke bis zum Rand der Altstadt ausdehnen, am Vormittag nicht spenden. Unserer Erfahrung folgend, beginnen wir die Messe also nach einem italienischen Frühstück (Espresso mit Biscotto) gleich mit der klassischen, ligurischen Orgie im Garten von "Da Maria". Wir sitzen kaum, da rollen die Getränke und die ersten Gänge unter vereinter, athletischer Beteiligung der gesamten Wirtsfamilie heran. Der blitzschnelle "Drei-Käse-Hoch" ist für Wein und Wasser zuständig. Drei Töchter und die Ehefrau balancieren die riesigen Platten, und der zaundürre Lulatsch von Vater gibt je nachdem kulinarische Hinweise oder verulkt die Gäste, indem er nur die Männer bedient und die Damen nach "angeblich" alter ligurischer Sitte warten lässt.

Plötzlich werden die Clownerien jedoch unterbrochen, weil der Maresciallo der Carabinieri mit drei seiner hoch dekorierten Offiziere am reservierten Tisch Platz nimmt. Kurz erfasst er mich starr mit seinem Blick, dann zwinkert er kurz und setzt sich ehrwürdig.

In meinem früheren Leben war es nicht unüblich, dass ich mit hochrangigen Polizisten zu Tische saß. Besonders in Ostasien und der Chinesischen Volksrepublik, in der ich als "Führerschein-Neuling" von Stadt zu Stadt und von Bankett zu Bankett weiter gereicht wurde. Als ich später erfuhr, dass nur eine Flasche des berühmten Mao-Tai-Schnapses den Monatslohn eines Polizei-Offiziers kostete, war mir auch klar, weshalb ich genötigt wurde, an jedem der Rundtische mit der Staatsmacht auf Ex zu trinken.

Was der Polizei-Chef vom Aroscia-Tal für einen Narren an mir gefressen hatte, war  unklar. Jedenfalls konnte ich keinen Gang ohne ermunternden Einspruch von ihm durchwinken. Dann verlor ich irgendwann die Übersicht und gab klein bei. Nach dreieinhalb Stunden erhob sich der Maresciallo, um wieder mit den Kollegen seiner Aufsichtspflicht über die Messe nachzukommen.
Er schnaufte glücklich, und ich fragte ihn, ob ich jetzt zum Salutieren aufstehen müsse. Er winkte ab, worauf ich mit routinierter Lässigkeit meine Ehrerbietung im Sitzen abgab. Um ehrlich zu sein, zum schnellem Aufstehen wäre es auch gar nicht mehr gekommen... Dafür animierte er, nachdem er die steile Treppe vom Garten hinauf geschnauft war, seine Männer-Freunde, auf dem Balkon einen vielstimmigen Gesang auf die Schönheit meiner Tochter anzustimmen

Wieder einmal erwies sich später die Taktik, erst nachmittags durch die Stände zu gehen, als richtig. -Der Konsortiums-Preis für den Knoblauch ist ohnehin kaum verhandelbar, aber bei dem Stand mit den Wildschwein-Spezialitäten war Obelix natürlich wieder in seinem Element.

Ich jammerte, dass das Essen so teuer gewesen sei, dass ich nur noch vierzig Euro übrig hätte. Ob ich dafür denn die Trüffel-Salami, das luftgetrocknete Rücken-Filet und ein Kilo geräucherten Cappocollo bekommen könnte. Er warf sein ganzes Geschick in die Waagschale, aber es kam immer ein Betrag an die 50 Euro heraus. So wandte ich mich traurig zum Gehen. Jetzt spielte er den rituellen Jammerlappen:
"Gut", sagte er. "Diesmal schenke ich dir die drei Trüffelwürste, aber im nächsten Jahr kommst du mir nicht mehr so billig davon!"




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