Mittwoch, 15. Juli 2015

Claus Merkel?

Gut, dass ich im vergangenen Jahr einen schrecklich realistischen Spielfilm über die Zustände in italienischen Callcentern gesehen habe. Sonst müsste ich denken, dass sich die Deutschen in Italien auf eine Welle der Antipathie einrichten sollten. Seit das Telefon-Marketing mehr oder weniger verboten ist, müssen diese Center mit autorisierten Adressen und Informationen "hausieren" gehen.
Die Mitarbeiter und ihr Boss werden nach Abschlüssen bezahlt. Das erklärt vielleicht, wieso wir mit einer penetranten Hartnäckigkeit ein gutes Dutzend mal in gleicher Sache angerufen wurden:
Es ging um den Neuabschluss eines Vertrages mit meinem hiesigen Lieblings-Energieversorger ENEL. Der Text mit dem Versprechen von 30prozentigem Rabatt auf unseren Stromverbrauch wurde ohne Möglichkeit zur Gegenwehr herunter geleiert.

Auch unsere Versicherung, dass wir unter kuriosen Umständen nach 15 Jahren von der ENEL im April gerade zum Neu-Abschluss genötigt worden seien, half nichts. Mindestens fünf mal legte die "Zweitbeste" selbst nach Fehlversuchen in Englisch auf. Dann landete der äußerst verärgerte Capo di tutti Capi persönlich bei mir. Ob ich denn kein Geld sparen wolle?

Also noch einmal geduldig die jüngste Schilderung unserer Geschäfts-Beziehungen zu dem Beinahe-Monopolisten. Jetzt vergaß der Mann, der ja eigens in psychologischen Verkaufsgesprächen geschult sein sollte, nicht nur, dass ich der Kunde bin, sondern auch seine Erziehung - wenn er denn je eine genossen hat.

Ob er denn mit Claus Merkel spräche, so stur, wie ich sei. Und überhaupt, wieso ich mir denn ein Haus in Italien kaufte, wenn ich zu blöd sei, anständig Italienisch zu lernen...

Die "Zweitbeste" und ich waren den halben Abend recht wütend. Hinterher fielen mir Formulierungen ein, die ich hätte anbringen können. Unter anderem Matteo Renzis "genug ist genug!" vor der vorläufigen Lösung des Griechenland-Problems.

Inzwischen hat sein Finanzminister ja gepetzt und verraten, dass nur (!) drei Staaten der Euro-Zone vor den endgültigen Verhandlungen bereit gewesen wären, durch zu winken. Italien war nicht darunter...

Es ärgert mich wider besseren Wissens, dass ausgerechnet Deutschland, das gerade wieder federführend bei der Aufklärung eines internationalen 300-Millionen-Steuerbetruges war, durch manipulative Presse-Berichte wegen dieser strikten Politik vom Süden Europas angefeindet wird, anstatt dass der selbst endlich ehrlicher Steuern zahlt...

Aber dann fällt mir wieder die Sippe unserer Lieblings-Pizzeria in München ein. Von der sprechen nur die in Deutschland Geborenen Deutsch. Mario, der Urvater, seit gut fünfzig Jahren in München, spricht nach wie vor ungefähr so Deutsch wie ich Italienisch. Er zahlt reichlich deutsche Steuern, ist Fan des FC Bayern und vermittelt dennoch unverfälschte italienische Momente.

Keinem seiner Gäste würde es jemals einfallen, ihm angesichts seines umfangreichen Immobilien-Besitzes in München, sein mangelhaftes Deutsch vorzuwerfen.

Offenbar muss Europa doch noch viel lernen.

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