Montag, 20. Juli 2015

Das bessere Ich am Rand der Galaxien

In diesen Nächten, in denen ich wegen der Hitze kaum schlafen kann, schleiche ich mich unbemerkt von der "Zweitbesten" gerne auf die Terrasse und lege mich auf die Fliesen. Die strahlen noch immer die Gluthitze des Tages aus, aber von oben decke ich mich mit der Kühle des hier unendlich klaren Sternenhimmels zu.

Erinnert ihr euch noch an die Bilder, die man nur lange genug anstarren musste, damit sie räumlich wurden und ein verborgenes Sujet frei gaben? Genau so geht es mir mit dem Himmel über der Burg. Ich starre in ihn hinein, und auf einmal rasen die Sterne heran. So wie in Science-Fiction-Filmen das Überwinden der Licht-Geschwindigkeit inszeniert wird.

Nur mit einem Unterschied. Ich rase 60 Jahre zurück in der Zeit und liege am Strand der Bucht von Kotor im ehemaligen Jugoslawien. Neben mir nur mein Vater, der mir geduldig Fragen zum Universum beantwortet. Gerade noch waren wir im an Plankton so reichen Wasser und haben über unsere neonfarben leuchtenden Gliedmaßen gestaunt.

Diese Momente der Vater-Sohn-Zweisamkeit konnte ich mit den Fingern meiner Hände abzählen. Von früh an war ich ihm suspekt, weil ich nicht so funktionieren wollte wie meine beiden reichlich älteren Schwestern. Aber das gehört nicht zum Thema. Es soll nur erklären wieso diese Erinnerung immer noch so lebendig ist.

Mein Vater war ein universal gebildeter Mann, der als Jurist eine merkwürdige Ader für Statistiken und Analysen hatte.

Auf meine Frage, ob es da oben irgendwo einen Stern wie die Erde geben könne, sagte er nur lapidar:
"Klar, gemäß der Unendlichkeit ist es sogar möglich, dass es die Erde bis ins Detail noch einmal gibt.
Also mit dir und mir hier am Strand, nur hoffe ich, dass du dort vielleicht nicht soviel Unsinn machst. Aber das werden wir nicht herausfinden, weil die Entfernungen im All so unermesslich sind, dass selbst, wenn wir in Lichtgeschwindigkeit reisen, die Dauer eines Menschenlebens nicht ausreicht."

Einstein war in Jahr zuvor in Princeton gestorben. Mein Vater war ein großer Fan von ihm und seiner Theorie, dass sich jenseits der Lichtgeschwindigkeit die Materie auflösen würde. Aus dem Kopf konnte er die magischen Ziffern herunter beten, die ich gerade nachschauen musste: 299 792 Kilometer pro Sekunde.

Unser VW-Käfer, mit dem wir im Balkan unterwegs waren, machte gerade mal, wenn er gut aufgelegt und nicht mit Familie samt Gepäck beladen war,
120 Sachen bergab auf der Autobahn.

Damals hatte ich auf einmal unheimliche Angst vor der Unendlichkeit angesichts der Endlichkeit des Menschen. Und ich denke heute noch, dem Albert Einstein haben seine Theorien auch eine Heidenangst eingejagt. Dem physikalischen Theoretiker half die Hinwendung zu Gott.

Ich war in der Zeit nach dem Strand-Erlebnis mit meinem Vater nur froh, dass er nie herausfinden würde, dass das andere Ich in der Unendlichkeit am Ende der Galaxien vielleicht doch braver war als ich...            

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