Montag, 9. Juni 2014

Schnell noch ein Bild für die Ewigkeit!

Was habe ich mich früher über meine Eltern lustig gemacht, wenn die behaupteten, dass die Zeit im Alter immer schneller verginge. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass dieses ewige Paar, das da in Eintracht nebeneinander Kreuzwort-Rätsel löste oder sich aus dem SPIEGEL vorlas, überhaupt noch irgend ein Zeitgefühl besessen hat. Zu einem der größten Verluste angesichts unserer Sterblichkeit zähle ich seither, den Umstand. nicht mehr Abbitte leisten zu können.

Wieder einmal - wie so oft in den vergangenen Jahren - ist ohne Übergang gleich der Hochsommer auf der Burg eingezogen. Dieser Nicht-Mai hatte keine Chance geboten, sich bei ständig anspringender Heizung in etwa  mit moderat steigenden Temperaturen anzupassen. In meinem früheren Leben habe ich das prima hinbekommen: Eben noch bei minus 29 Grad in finnisch Samenland. Zwei Tage später am Gambia-Fluss im Senegal bei maximaler Luftfeuchtigkeit und einer Morgen-Temperatur von über 30 Grad. Die Zeit war schnell, aber die professionelle Ungeduld noch schneller.

Heute kann ich mir das gar nicht mehr vorstellen. Ich muss bei diesen Temperaturen in den niedrigsten Gang zurück schalten und schleiche herum. - Wenn ich nicht wie gestern quasi erstarre: Erst unter dem großen Schirm auf der Terrasse nach ein paar vergeblich gelesenen Zeilen im E-Book mit den Gedanken starrend im unendlichen Panorama versinkend. Dann am Nachmittag von der Eingangsstufe des Nachbarn aus diese einzigartige Perspektive unseres Burgplatzes als Therapie zum Vergessen der Schrecknisse dieses Jahres im Herzen verankernd: 8. Juni - das Jahr ist ja schon fast zur Hälfte wieder rum. Und wo ist der gestrige Faulenzer-Tag geblieben, an dem ich noch nicht einmal eine Zeile geschrieben habe?

Ich habe ihn ganz langsam im Nachdenken über die Geschwindigkeit der Veränderungen enteilen lassen:

Noch ein Denkfehler der Jugend: Die irrige Vorstellung, an den persönlichen Gewohnheiten und Eigenheiten verändere sich nichts im Lauf der Jahre. Das geschieht aber eben doch: langsam und unmerklich. Auf einmal schreibt man nicht mehr nachts Whisky trinkend und Ketten rauchend, sondern beginnt die Tage mit zähen Zeilen auf nüchternem Magen. Der Blick zurück ist kurz und trügerisch. Der voraus nicht mehr so weit, wie man es gerne hätte.

Mit dem Smartphone
Wir haben die erste laue Nacht genutzt, um mit Uwe und Dorle, zwei Burggeistern aus dem Schwäbischen, bei Finger-Food ein paar Fläschchen zu leeren. Uwe und ich haben und hatten beruflich wie vom Hobby her Berührungs- und Erfahrungspunkte. Als ehemaliger Artdirector erschafft er hier in einem Gewölbe Skulpturen aus diesem einmalig schön gemaserten Oliven-Holz. Die "Zweitbeste" hat seine Arbeiten schon gesehen und ist begeistert. Ich darf mir vielleicht in den nächsten Tagen sein im Enstehen begriffenes Werk "Der Kuss" anschauen...

Smartphones überzeugen beim Weitwinkel
Wie das bei sich spät entwickelnden "Künstlern" nicht ausbleibt, gab es ein paar Reminiszenzen an die technologischen, digitalen Einflüsse speziell unserer Arbeitswelt. Sie aber wurden durch die Tatsache bagatellisiert, dass ich während des Plausches permanent Aufnahmen mit meinem Smartphone machte. Das ist echt Teufelswerk mit Sucht-Potenzial, verdeutlichte aber außer meiner Verrohung der gesellschaftlichen Sitten exemplarisch, dass der Homo-Digitalis umso mehr von der Entwicklung überrollt wird, je öfter wir beim Zug der Neuerungen aufspringen.
Action und Nacht können Smartphones aber nicht

Weil ich es noch nicht wahrhaben wollte, dass ich vielleicht nie mehr professionell fotografieren würde, habe ich mir vor fünf Jahren noch teure Kameras gekauft und mir für Experimente einen Camcorder von meiner Familie schenken lassen. Alle Geräte müssen nach Pausen immer komplett geladen und neu programmiert werden. Deshalb sind sie ein Opfer meiner Bequemlichkeit geworden.

Das letzte Foto, das ich mit den Apparaten gemacht habe, waren die Feuerflieger im Einsatz beim Waldbrand vor unseren Burgmauern. Das habe ich  vor drei Jahren an die dpa verkauft (zu sehen aber auch in diesem Blog). Seither schlummern die Geräte in ihren "Bereitschaftstaschen"...

Wenn ich heute noch schnell ein Bild für die Ewigkeit machen will, sage ich zu dem Gesprächspartner mit dem ich gerade telefoniere:
"Du, Moment mal! Bleib bloß dran ich muss schnell mal ein Bild für die Ewigkeit schießen. Das glaubst du nicht. Ich mail es dir gleich. Oder willst du warten, bis ich es im Fotoshop bearbeitet habe?"

Aldous Huxley hat mit seiner "Schönen neuen Welt" zwar auch eine literarische Momentaufnahme geschaffen, aber wieso sollte unsereiner noch weiterschreiben - bei dieser Kommunikationsvielschichtigkeit, in der du auch gleichzeitig noch ein Video vom Handy live übertragen kannst? Ich sag es Euch: Weil es Spaß macht, und weil ich es eigentlich im "nietzscheschem" Sinne tue, um mich im Alter (hihi) selbst  daran zu erfreuen...

Als sie  die Ergebnisse sofort zu sehen bekam, sagte Dorle übrigens noch in der selben Nacht den Satz, der den Erfolg dieser Dinger ausmacht:
"So eines brauche ich auch!"

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