Dienstag, 17. Juni 2014

Der verlorene Schlüssel

Werden alte Ehepaare irgendwie komisch? Ja, und zwar nicht zu knapp! 
Unsere Nachbarn - wenn sie denn da wären - hätten ihre liebe Not mit unserer Dauer-Quatscherei über die nichtigsten Dinge. Aber sie sind ja während der Ferien-Tage lieber am Strand und können uns deshalb gar nicht hören. Ansonsten wirkt ja unsere Piazza  wie ein vierkantiger Resonanzboden bis in die obersten Stockwerke der Burg...

Also wen stört es? Im Moment die "Zweitbeste", weil sie nach einer längeren Pause wieder ultimativ das Lesen für sich entdeckt hat. Ich würde sie ja gerne verschonen, weil sie immer noch im Regal mit quer gestapelten, noch zu lesenden Büchern gut drei Dutzend Bücher vor sich hat, um  "lesechronistisch" zu mir auf zu schließen

Im Gegensatz zu ihr in dieser Phase kann ich aber höchsten vier Stunden  am Stück lesen, dann spätestens muss ich etwas anderes machen. Beispielsweise: 
Die "Zweitbeste" aus dem Lese-Konzept zu bringen.. Denn sie vergisst - einmal warm gelesen - alles. Die Waschmaschine in der Cantina zu leeren , dass sie heute mit dem Kochen dran wäre, aber schlimmsten Falles - ihren besten Ehemann von allen....

Also setze ich mich still auf die Eingangsstufe unseres nicht anwesenden Nachbarn und erwarte  - nichts. 
Das aber kann sie gar nicht ausstehen.
"Ich will jetzt wirklich nicht mit dir reden. Das Buch ist viel zu spannend. Nicht böse sein."
Ich sage mal gar nichts.
"Was guckst du denn so?"
"Ich finde es so schön, dass du mal wieder ein Buch gefunden hast, was dich wirklich zu fesseln scheint."
"Ist das jetzt tatsächlich die Assistentin, die diesen psychologischen Knacks hat?"
"Dazu sage ich jetzt nichts, sonst liest du am Ende nicht weiter."
"Das wäre ja auch zu blöd! Aber jetzt stör mich nicht weiter!"
"Ich habe doch nur auf deine Frage geantwortet."
"Ja, dann antworte halt nicht! Du siehst doch, dass ich lese!"

Minuten langes Schweigen. Mit ihrer Konzentration scheint es aber nicht mehr so zu klappen...
"Jetzt bist du wieder sauer, weil ich nicht auf dich eingehe."

Keineswegs! Schau, was ich mache! Mit einer Geste, die ihr sehr bekannt ist, verschließe ich meine Lippen und drehe einen imaginären Schlüssel im Schloss, den ich dann mit einer weit ausholenden Bewegung aus der Piazza hinaus werfe.

Haaach - endlich Ruhe zum Lesen!

Über uns kreist ein Rauhfuß-Bussard und beginnt über der Piazza zu rütteln, als hätte er mit seinen mörderisch scharfen Augen einen Druckfehler im Lesestoff der "Zweitbesten" entdeckt.  Ich beobachte ihn in stiller Freude und bin  nur glücklich, an so einem einzigartigen Platz im Schatten  sitzen zu dürfen, um seine Flugkünste zu bewundern.

"Du musst jetzt wirklich nicht so in die Luft starren, als sei das von Interesse. Sag mir lieber, ob der Sohn von der Assistentin dieser mörderische Psychopath ist."

Ich weise nur stumm in die Richtung, in der der Schlüssel für mein Mund-Schloss verschwunden ist.

"Nun sag schon!"

Aber ich kann ja  nicht. Bin verzweifelt verstummt, lache mich innerlich tot und bin bösartiger Weise stolz auf mein verwerfliches Tun....

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