Donnerstag, 29. August 2013

Der Schmetterlingseffekt

Am Beispiel der Chaos-Theorie lässt sich einzigartig festmachen, wie falsche Kolportage zu einem hartnäckigen Missverständnis führen kann. Der falsch ausgelegte Schmetterlingseffekt wird auf die Überschrift zu einem meteorologischen Referat des Amerikaners Edward Lorenz zurück geführt, die die Frage stellte, ob der Flügelschlag einer Möwe in Brasilien, einen Tornado in Texas auslösen könne. In der Folge wurde aus der Möwe ein Schmetterling, weil Berichterstatter, Referenten und Wissenschaftsjournalisten es mit einem zum Thema gehörenden dreidimensionalen Gemenge-Modell in doppelter ellyptischer und animierter Computer-Darstellung einer Rechenformel von Lorenz gleichsetzten. Schaute man eindimensional auf das Ergebnis so sah das am optischen Schnittpunkt der sich eigentlich nicht berührenden Linien aus wie ein hauchzarter Schmetterling.
Seither ist die romantische Fehlinterpretation populärer als dieser Beitrag zur Chaos-Theorie: Bands, Filme und Essays sind nach ihr benannt, aber das eigentlich Bahnbrechende an dieser epochalen Berechnung wird mit Falsch-Zitaten zugemüllt.

Da ist mir der Schmetterlingseffekt, den die Zweitbeste hier auf der Burg erzielt hat, trotz erster Zweifel schon einleuchtender. Mitten im Regengrau des Frühlings schleppte sie einen eher unscheinbaren Blumentopf auf die Terrasse und stellte ihn dort mitten auf den Tisch.
"Was willst du denn mit dieser hässlichen Pflanze?", erhob ich Einspruch.
"Wirst schon sehen!", gab sie sich kryptisch.
Dass diese Pflanze dann wunderschön zu blühen begann, bekam ich eigentlich nicht mit, weil ich in der Hitze die Terrasse ja tagsüber wochenlang gemieden habe. Aber im Juli fiel mir dann auf, dass wir auf der Piazza noch nie so viele Schmetterlinge hatten, und als dann alle Mauersegler fort waren, begannen die verschiedensten Arten paarweise ganz ungeniert zu tanzen.
"Schau mal Spatzl! So viele Schmetterlinge hatten wir noch nie!"
Souverän konterte sie:"Das macht alles mein Schmetterlingsbusch. Ich hab's dir ja gesagt!"
Jetzt, da ich wieder ganze Tage auf der Terrasse herum fläze, werde ich von den lautlosen Schönheiten umschwirrt, die sich mit ihren Rüsseln an dem noch immer blühenden Busch gütlich tun. Sie haben längst keine Angst mehr vor mir. Deshalb kann ich mich ihnen auf Nasenlänge nähern.
Ein Distelfalter kommt besonders häufig und bleibt auch länger als die anderen. Bei näherer Betrachtung fällt mir auf, dass ihm der halbe rechte Flügel fehlt. Schon Anzeichen des nahenden Todes? Ein genetischer Defekt? Der erfolglose Angriff eines Fress-Feindes? Oder ist er vielleicht nur beim Entpuppen eine wenig fest geklebt? Ich weiß es nicht.
Aber ich bin begeistert, dass er im Flug nichts von seiner Behinderung erkennen lässt.
Ein Airbus kann ja angeblich auch noch mit einem Triebwerk den Atlantik überqueren, aber mit so einem Schaden am Flügel würde jedes von Menschen geschaffene Fluggerät abstürzen. Dieser Distelfalter braucht einfach nur die Frequenz zu erhöhen und tankt deshalb wohl mehr Nektar.

Man könnte also sagen, dass er quasi auch in einer weiteren Dimension der Fehl-Interpretation flattert: Dem "Schmetter-links-Effekt"...

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