Donnerstag, 27. Dezember 2012

Vom Bimmeln und Ballern

Friede auf  Erden und den Menschen ein Wohlgefallen! So lautet die Weihnachtsbotschaft nach Lukas 2,14. Manchmal glaube ich, dass die Adepten im Mutterland der Kirche viel weniger stoisch mit den Evangelien umgehen, als selbst so ein "Ungläubiger" wie ich.

Als am zweiten Weihnachtsfeiertag punkt drei Uhr unten vor Santo Stefano die alljährliche Prozession startete und der Küster - weniger campanologisch geschult als eifrig hektisch - sein Glockenspiel betätigte, ging das hier oben im schweren Feuer unter. Aus dem Unterholz der mit Steineichen bewachsenen Hügeln ringsum blafften und peitschten die Schüsse aus Hunderten von Jagdwaffen derart arhythmisch und schnell, dass ich angst hatte, der Glockenspieler würde das Tempo seines Bimmelns letztendlich überheizen. Ich erwartete daher eher einen Frontbericht als die Weihnachtsbotschaft...

Seit ich hier lebe, rätsel ich, ob die Ballerei der Jäger tatsächlich der Beschaffung von Wildbret für die Festtafeln der Feiertage oder eher dem Spaß an der Knallerei dient. Denn - wie erwähnt - vernünftiges cacciagione ist hier nur schwer zu erwerben, und selbst in Restaurants bekommt man meist nur knochiges Ragout. Selbst wenn nur jeder fünfzigste Schuss ein Treffer wäre, müssten in ligurischen Privathäusern dieser Tage Wildschwein-Orgien gefeiert werden, die selbst einen Obelix zufrieden stellten... Aber Obelix (in diesem Fall der Burgbriefe-Schreiber) geht stets leer aus... 

Deshalb verbreitet er gerne das Gerücht, dass Ligurer die lausigsten Jäger der Welt sind. Immerhin gab es schon einschlägige Erfahrungen in dieser Richtung (siehe frühere Posts), und erst neulich lief auf der Bergstraße hinauf zur Burg ein prächtiger Fasan vor uns her, der auf der Flucht immer wieder umfiel, weil ihm einer die stabilisierenden Schwanzfedern weggeballert hatte. Über die Böschung zu springen, traute er sich nicht. Wir fuhren so langsam hinter ihm her, dass er keine Angst haben musste, bis er endlich einen Trampelpfad ins Unterholz gefunden hatte und verschwand. In unserer menschlichen Zwiespältigkeit der Gefühle, wünschten wir ihm das Überleben. Aber mal ehrlich: Als Braten hätte er uns ganz sicher auch gemundet. - So wie dem Fuchs, der ihn vermutlich noch vor den kalten Tagen erwischt hat...

Aber zurück zum Bimmeln:
Da gilt es, etwas einzugestehen, dass mich nach dem letzten Post mal wieder so richtig als alten und vor allem gänzlich uncoolen Computer-Trottel dastehen lässt. Severin, der Lebensgefährte unserer Christkind-Tochter sieht es wohl als seine "biologisch-schwiegersöhnliche" Pflicht jeden meiner Posts genau zu studieren, um daraus- vermeintliche Pluspunkte sammelnd - gelegentlich zu zitieren. Sogar einen eigenen Ordner hat er für die Burgbriefe auf seinem Smartphone eingerichtet - der Streber! Denn diesmal stieß er mir beim Weihnachtsfrühstück unbarmherzig einen virtuellen Dolch in meinen vom Alter gebeugten Rücken.

Und mein Nerd-Sohn konnte es natürlich auch nicht lassen, zu meiner vergeblichen Bescherungsglocken-Suche einen seiner stets paraten Rechthaber-Sprüche abzulassen:
There is an app for that!

Und richtig: Severin ging nur kurz auf "google-play-store", gab "christmasbell" ein, wählte unter vier Glocken-Typen eine aus, lud die App hoch und begann, sein Smartphone hin und her zu schwingen. - Es klag genau wie unser Bescherungsglöckchen daheim.

Guter Aldous Huxley! Deine "Brave New World" war einfach nicht phantastisch genug. Demnächst werden Gemeinde-Diener, Vorsitzende und sonstige Glockenschwinger einfach nur noch mit dem Smartphone wedeln.

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