Montag, 10. Dezember 2012

Il Cavaliere

Das drohende Scheitern der "Idee Europa" hat seit gestern ein neues aber altvertrautes Gesicht. 

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, in diesem Blog keine politischen Posts zu veröffentlichen, aber der gestrige Auftritt von Silvio Berlusconi - so en passant auf dem Trainingsgelände seines Fußball-Clubs AC Milan - hat mich wegen seiner Deutschenfeindlichkeit nicht nur empört, sondern macht mir nun auch eine Heidenangst. Wesentliche Aussagen, sind heute nämlich in der Presse bereits verharmlost wieder gegeben worden.

Er hat Mario Monti mit seinen tecnocrati nicht nur vorgeworfen, Italien in die größte Krise seit dem Krieg geführt zu haben, sondern sei auch angetreten, um das Vaterland auf Bitten seiner Gefolgschaft von der Deutschen Hegemonie zu befreien. Den Namen der Kanzlerin hat er dabei gar nicht genannt, sondern einen nicht deutlich verständlichen Begriff verwendet, der klang wie "germania logo". Das ließe sich so interpretieren wie: Europa das D-Zeichen (Auto-Nationalitätszeichen?) abzumontieren...

Der Populist und Medien-Zar weiß durch das Beispiel Griechenlands, dass mit dem zu schürenden Hass auf die Deutschen reichlich Stimmen zu gewinnen sind. Er ist zudem ein geradezu mit Teflon beschichteter Wortverbieger, dem es sogar gelänge, mit einer frisch verhängten Freiheitsstrafe von vier Jahren, bald wahlkämpfend durch die Provinzen zu ziehen. Er ist auch unverfroren, denn er weiß, das Wahlvolk hat ein kurzes Gedächtnis: 
Wer war bei der Einführung des Euros Ministerpräsident Italiens? Und wer war es wieder, als 2008 die bis heute andauernde Finanz- und Immobilien-Krise Italien zu einem hoch verschuldeten Kandidaten für den Rettungsschirm machte? - Der Giga-Bauunternehmer Silvio Berlusconi.

Mario Monti hat in den gerade mal einem Jahr, das seit seinem Amtsantritt vergangen ist, versucht, den von Berlusconi hinterlassenen Scherbenhaufen aufzuräumen. Er wollte das mit Fachleuten tun und nicht mit Berufspolitikern, was allein schon vielen der bestbezahlten Abgeordneten Europas sauer aufstieß.

Aktuell werden Berlusconi noch Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe und Korrumpierung von Justizbeamten vorgeworfen. Mit seiner Taktik, Mario Monti quasi zum Rücktritt zu nötigen und dadurch noch weiter vorgezogene Neuwahlen zu erzwingen, könnte er wieder in eine Position geraten, in der seine Administration, bald weitere Verfolgungen seiner aktenkundigen Straftaten verhindert.

Wenn Mario Monti resigniert davon spricht, "der Sonnenkönig" habe ihn verlassen, zitiert er vielleicht noch aus Versehen den absolutistischen Herrschaftsanspruch des Oligarchen. Die Formel, diesen möglicherweise  zu erreichen, ist aber ebenso simpel wie perfide:

Der Steuerhinterzieher Berlusconi weiß zunächst schon einmal alle anderen Oligarchen seines Landes hinter sich, aber auch die seit jeher chronischen Steuer-Verweigerer auf dem Stiefel, die nach vorsichtigen Schätzungen bei annähernd 50 Prozent rangieren. Die Haus- und Grundbesitzer bekommt er mit dem Versprechen, die deutlich erhöhte Immobiliensteuer UMI wieder abzuschaffen, die die unübersichtliche und bisweilen ungerechte ICI ablösen sollte.

Mit dem avisierten Deutschenhass erreicht er auf seinen Blödel-Sendern mit den einseitig zu seinen Gusten gefärbten Nachrichten zwischen den Hirn degenerierenden Spiele-Shows auch viele der sogenannten kleinen Leute.

Berlusconi ist zudem ein Virtuose beim Einsatz von Computer gestützten Marktforschungsinstrumenten, die ihm wie keinem anderen Politiker Italiens in reichem und persönlichen Ausmaß zur Verfügung stehen. Es kann doch kein Zufall sein, dass mich ausgerechnet gestern Abend - also an einem Sonntag - eine junge Frau von einem Callcenter über meine Hör- und Sehgewohnheiten befragen wollte. Il Cavaliere, der Ritter, gibt seinem kaum gesattelten Pferd bereits die Sporen. 

Bei einer seiner Kanditaturen im vergangenen Jahrzehnt bekam ich sogar schon mal ein "persönliches Schreiben" von Berlusconi hier auf die Burg, in dem er mir caro amico klar machte, dass mir als Hausbesitzer doch wohl gar nichts anderes bliebe, als ihm seine Stimme zu geben. Da hatten seine Schergen im Raster wohl einen Fehler gemacht, indem sie sich auf Hausbesitz und codici fiscale beschränkt und nicht die Nationalität und das Wähler-Register überprüft hatten. Es blieb allerdings die Frage, wie war ich in diesen Raster mit meinen teilweise geschützten Daten hineingeraten?

Wer kann den Cavaliere in die Schranken weisen?
Der Hoffnungsträger der engagierten intellektuellen Mittelschicht, der Florentiner Bürgermeister Matteo Renzi (Jahrgang 75) konnte sich bei der Stichwahl der Demokraten nicht durchsetzen. Luigi Bersani, das politische Urgestein - hat als Spitzenkandidat  sofort gesagt, den Kurs von Monti fortzuführen. Noch wird ihm eine deutliche Mehrheit bei den anstehenden Parlamentswahlen prognostiziert. Der hemdsärmelig und bürgernah rüberkommende Zigarren-Freund kämpft gerne mit offenem Visier. - Wenn ihm da mal nicht eine Lanze des Cavaliere ins Auge fährt

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