Sonntag, 16. Dezember 2012

Ein Stern, der keinen Namen trägt

Das Schöne an der ligurischen Weihnachtszeit: Sie richtet sich mit ihren öffentlichen Dekorationen ohne langes kitschiges Vorspiel strikt nach dem Papst. Zumindest hier auf der Burg und im Capo Luogo unter uns flimmern vorher höchstens ganz vereinzelt Privat-Fenster. Wenn der Papst durch "Entzünden" des Weihnachtsbaumes auf dem Petersplatz am Samstag vor dem dritten Advent Weihnachten "offiziell eröffnet", hat auch Signora Giardini - unsere Gemeindegärtnerin - heimlich ihre Vorkehrungen abgeschlossen und legt den Schalter um. Am Aufstieg zu den Gassen leuchtet ein "Auguri" in Schreibschrift und inmitten unserer Piazza hängt ganz für uns allein ein riesiger Blinke-Stern.


So stolz war sie über die neuerliche Erleuchtung, dass sie gleich ihre "Gartenschwester im Geiste", die Zweitbeste, herausgeklingelt hat, um mit ihr das Wunder zu teilen.Ich hatte aber den noch besseren Überblick, denn ich konnte zur selben Zeit von den Wohnzimmer-Fenstern oben erleben, wie auf den Bergkuppen rings herum die Nachbardörfer wie auf ein geheimes Zeichen auch ihre Weihnachtsbäume und Bogen-Girlanden in Funktion setzten. Aber diese Rundum-Stimmung von Berg-Weihnacht dauerte nur ein paar Minuten, dann war sie in dem dick aufsteigenden Nebel verschwunden.

All das alte Gemäuer leuchtete nur noch geisterhaft pastellig im Zucken des sich von innen vergrößernden Sternes auf. Dazu diese geisterhafte Stille. Das sind diese Ehrfurcht heischenden Momente, in denen wir hier auf dem Burgberg der übrigen Welt gänzlich entrückt scheinen. Umnebelt kommen einem da ganz eigentümliche Gedanken:

Denn Dein ist die Kraft und die Herrlichkeit! Schon Graham Greene konterkarierte diese Quintessenz des Seins  aus der Passion Jesu Christi in seinem Roman "Power and Glory"

Wofür ist Gottes Sohn, dessen Geburt auch Agnostiker wie ich in ein paar Tagen feiern werden, letztendlich gestorben, wenn wir Menschen einerseits solche Stimmungen wahrnehmen können und sentimental werden, während wir abseits vom privaten Frieden zulassen, dass Exzesse der Gewalt verübt werden?

Da war zur selben Zeit der vorweihnachtlichen Erleuchtung draußen etwas Schreckliches geschehen. In den Fernseh-Nachrichten  ist der eben noch strahlende Wahlsieger Obama mit Tränen in den Augen und stockender Stimme als Präsident einer Nation zu sehen, die wieder einmal ein unfassbares Massaker an Schulkindern zu betrauern hat. Die weltweite Betroffenheit - auch unsere persönliche - ist das ganze Advent-Wochenende das Thema in den Medien. Da rückt Weihnachten in unserer westlichen Welt ganz in den Hintergrund. Aber auch eine andere berechtigte Frage:

Wieso erringen die seit Wochen und Monaten in Syrien und im Palästina gewaltsame Tode sterbenden  Kinder nicht die gleiche breite und betroffene Aufmerksamkeit der Medien? Gibt es am Ende einen "qualitativen" Unterschied zwischen einem durchgeknallten Amok-Twen oder außer Rand und Band geratenen Staatsmächten, die auf eigene Bürger ballern lassen?

Die Kraft und die Herrlichkeit gerät - wie ich an mir selbst täglich erfahre - im Alter zum Duell von Angst und Endlichkeit. Mein Gefühl wird immer stärker, dass die Menschheit beschleunigt dazu beiträgt, dass unsere Erde vor ihrem Schicksal in Äonen ein Stern sein wird, der keinen Namen trägt...

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