Freitag, 11. August 2017

Tempesta, Temporale oder beides zusammen?

Endlich ist es soweit. Mit schöner Gleichmäßigkeit höre ich die Tropfen an meine Fenster klopfen. Auszeit für die angefeindeten Dauergießerinnen der Piazza. Diesmal war il temporale nicht so mit Hagel niederschmetternd wie vor vierzehn Tagen.

Auch la tempesta war zwar zunächst heftig, brachte aber dann diesen kühlenden Landregen, der hoffentlich auch den Faschen gut tut.

Wieso schreibe ich über tempesta und temporale in einer Zeit, da die Heimsuchung durch die Naturgewalten in Deutschland gerade besonders hartnäckig ist?

In des Schattens Kühle während la grande calda habe ich neben dem Computer und allen mir zur Verfügung stehenden Wörterbüchern (deren Erscheinungsdaten zum Teil weit ins 20. Jahrhundert zurück reichen)  auch die Alten hier im Dorf befragt.

Denn zu den vielen ungereihmten Analyseversuchen, Spekulationen und Interpretationen, kommt ja bei Giorgiones Meisterwerk La Tempesta die Frage auf, wieso die Deutschen das Bild "Das Gewitter" nennen, wenn es doch eigentlich "Der Sturm" heißen müsste?

Am nächsten bin ich dieser Frage noch im großen Langenscheidt aus  den 1980ern gekommen. Dort wird la tempesta auch als Donnerwetter - wenn auch im allegorischen Sinne der Übersetzung erwähnt; nämlich als Donnerwetter, das es setzt, wenn der Vater seinen Wochenlohn versoffen hat...

Grazie alla Accademia di Venezia
Ich will mich hier auf keinen Fall aufspielen, wo die Interpretation Tausende wissenschaftlicher Seiten gefüllt hat, und sogar Anregung für Krimis war.

Ich habe fünf Jahrzehnte fotografiert, bin allerdings als Maler dilettantisch gescheitert. Dennoch seien mir ein paar Fragen erlaubt, zu denen ich aus meiner hoch gebildeten Leserschaft eventuell ein paar Antworten bekomme:

Fotografen erzielen die plastischsten Landschaftsaufnahmen, wenn die Sonne auf eine Wolkenwand hinter dem Motiv scheint. Aber warum wirken Licht und Schatten auf diesem Giorgione, als gäbe es diverse "Einleuchtungen"?

Mutter und Kind wirken auf dem Bild derart emtspannt, dass man die bei Frauen immer vorhandene Angst vor Sturm und Gewitter sowie die vor Spannern nicht erahnen kann. Und das bei dem Meister-Poträtisten Giorgione! Wie also ist das Verhältnis der drei Personen  im Vordergrund zueinander, und was veranlasste die Kunsthisroriker, den Mann auf der anderen Seite des Flusses gleich wieder einmal als Zigeuner einzustufen?

In L'Accademia zu Venedig kommt der Betrachter ja nicht nahe genug an das Gemälde heran, weil immer Scharen von Besuchern auf Abstand gehalten werden. Aber die moderne Reprofotografie offenbart ja, dass es sich nicht nur um Übermalungen handelt. Bin ich der einzige, der bei dem hellen Punkt in den Wolken einen Chorknaben erkennt oder in den Wolken davor Schattenrisse von Beobachtern?

Giorgione galt ja nicht nur als Revoluzzer gegen die strengen Regeln seiner Zeit, sondern auch als gelegentlicher, in die Zukunft schauender Scherzkeks.

Was, wenn das seine Version von "Baywatch" war? Er in den damals schon modernen Bade-Shorts. Sie mit Knaben in der FKK-Zone des Flussbades entsprechende Privacy erwartend?
Oder ganz anders. Auf  einem Untergrund in Form eines Progetto einfach mal Motive auspobiert und dann festgestellt: Das sieht ja ganz gut aus.

Giorgione konnte ja nicht ahnen, dass das Gemälde einen solche  Sturm entfachen würde. Oder doch?



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen