Donnerstag, 16. Juni 2016

Die liebenswerte "Kräuter-Hexe"

Die Witwe unseres früheren Bürgermeisters ist uns mit ihren 78 Jahren Vorbild und Rätsel zugleich.
Noch immer ist sie unsere Teilzeit-Nachbarin. Obwohl sie dem Hörensagen nach ein schickes Domizil nahe ihrer Verwandtschaft in der Stadt hat, kann sie von ihrem Haus hier oben nicht lassen und klettert nicht selten  frisch vom Friseur und voll mit Proviant für mehrere Tage beladen die Stufen zur Piazza hoch.

Begleitet wird sie dabei von der ebenfalls schon betagten Spaniel-Dame Lara. Beide sind bei jeder Festivität dabei und halten tapfer beim Trinken und Speisen mit. Ohne ging es auch nicht, weil die Witwe die besten Crostate macht, und aus ihrem Horto, den sie noch selbst pflegt und ab erntet, köstlich frischen Salat und Gemüse beisteuert. Ihrem selbst gekelterten Bio-Wein sollte einer aber nur zusprechen, wenn er Verdauungsprobleme hat. Wer weiß? Vielleicht hat der Ur-Wein zu den Zeiten von Columbus tatsächlich so geschmeckt, und wir sind nur durch die önologische Entwicklung entwöhnt.

Im Tal tobt mehr oder weniger die Woche von San Giovanni. Am Hafen stehen die Zelte der Fiera, und jeden Abend gibt es eine neue Veranstaltung. Deshalb waren wir erstaunt, als wir die Signora auf der kurvenreichen Straße hinunter am Rand beim Kräutersammeln trafen. Wir wollten sie mitnehmen, aber dann sahen wir ihr Auto weiter unten stehen.

Sie hatte den Arm voller teils blühender, bald schon getrockneter Stengel einer gelb blühenden Pflanze. Da hinter uns Verkehr war, hatte sie nur kurz Zeit, uns die Rezeptur für ihr bestes Mittel gegen Rheuma und Gicht zu verraten:

Die Zweige und Blühten einfach in gutes, kalt gepresstes Oliven-Öl geben, und zwei Monate bis zum Gebrauch stehen lassen. Wikipedia bestätigte ihre Rezeptur, nachdem ich etwas gebraucht habe, um ihre Ernte zu bestimmen:

Es handelte sich um echtes, wildes Johannis-Kraut, das in diesen Tagen der Blühte traditionell hier in den Bergen gepflückt wird. Wenn die kalte Jahreszeit mit den Gelenk- und Haut-Zipperlein beginnt, ist daraus Rot-Öl geworden, das sie hier Sangue di Giovanni - Johannis-Blut nennen.

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