Samstag, 8. August 2015

Die stummen Mahner

Was habe ich in Kindertagen für üble Sachen über die Menschen aus dem Süden zu hören bekommen: Faul, trügerisch, nur daran interessiert Liebe und unendlich viele Kinder zu machen.
Ausgerechnet die sind in unser kaltes Klima gekommen, haben sich bei Akkordarbeit zu Niedrigstlöhnen den Hintern ab gefroren und so für den konkurrenzlosen Wohlstand unseres Landes gesorgt.

Jetzt im Klimawandel, der dafür sorgt, dass es zur Zeit in Deutschland sogar heißer ist, als hier in Italien, werden die überlebenden Spötter von einst vielleicht endlich spüren, was es auf Dauer heißt in einem Klima zu leben, bei der die Nachttemperatur nicht unter 30 Grad sinkt.

Vor ein paar Jahrzehnten habe ich noch in den heißesten Ländern der Welt meinen Job verrichtet. Bei einer Indien-Reportage hatte ich innerhalb von vier Wochen 15 Kilo abgenommen und war ziemlich ausgelaugt.

Seit über einem Monat schleiche ich nun im Schnecken-Tempo herum. Vorletztes Wochenende haben wir dann die Flucht in die Berge angetreten - wie die halbe Bevölkerung der Costa dei Fiori. Jeder Bergtümpel, jedes Rinnsal zu denen die sonst stolzen Gebirgsflüsse geworden waren, fanden wir umlagert.

Jetzt in der Ferragosto-Woche kommt die Arbeit zu recht an zweiter Stelle, aber es ist längst nicht mehr so wie in Kindertagen, in denen sie zum Erliegen kam, weil Klima-Anlagen noch ein Luxus waren. Chiuso per ferie? Von wegen! Wir gehen Einkaufen, weil die Großmärkte so schön kühl sind.

Und wenn wir dann beladen zur Burg hoch gekeucht sind, begrüßen uns die stummen Mahner unserer eigenen Untätigkeit:

Auf der Fensterbank in der Küche lungern ein langer Pinsel und ein Waschel herum, weil ich die Feuchtigkeitsschäden des Winters immer noch nicht beseitigt habe. Auf der Kommode im Esszimmer wartet eine Blattsäge darauf, dass ich  mit ihr eine Vorhangstange kürze, was wiederum für die Zweitbeste die Ausrede ist, dass die bald nicht mehr frisch gewaschenen Vorhänge noch nicht hängen. Und dann der Tacker. Ein Polster-Gurt sollte erneuert werden, aber dazu müsste man ihn eben in so einem altertümlichen Laden mitten in der Altstadt erst kaufen...

Habe ich gerade mit meinem kochenden Kopf überlegt, ob ich ein Schild an die Tür hänge?

Chiusu per ferie! 

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