Freitag, 14. August 2015

Das junge Europa

Wir leben auf der Burg, seit es den Euro gibt. Anderthalb Jahrzehnte haben im Alter eine andere Dimension als im Heranwachsen eines Menschen. Das sehen wir jeden Sommer, wenn die Kinder der Burggeister ihre Ferien hier oben verleben. Manche konnten kaum laufen, wenn sie über die Piazza balanzierten, andere hatten die Knie voller Schrammen, weil sie ihr Geschick beim Toben treppauf, treppab gefährlich überschätzten.

Die meisten sind heute im Teeny-Alter, was bedeutet, dass wir sie wohl nicht mehr oft zu sehen bekommen, weil die Burg weniger spannend ist, als daheim auf eigene Faust mit Freunden abzuhängen oder mit denen erste eigene Urlaubs-Schritte zu wagen. Bei unseren beiden war das genauso. Jetzt als Mittdreißigern fehlt ihnen wegen der Arbeit häufig die Zeit. Aber das bedauern sie sehr, weil unser Haus hier wieder so etwas wie ihre Heimat geworden ist.

Wenn ich sehe, was aus den Bambini von einst für prächtige Mannsbilder und Mädels geworden sind, dann stelle ich automatisch Parallelen zu Europa an. Sind wir nicht zu ungeduldig mit unserem Youngster? Schließlich ist dieses Europa ja gerade mal in der Pubertät. Mit all den Gefühlsblähungen  und Rebellischkeiten, die diese Phase so mit sich bringt.

Hier oben sprechen die Jugendlichen unkompliziert in vier Sprachen miteinander, weil sie mindestens zwei absolut fließend beherrschen. Sebastiano, der Sohn von unserer Freundin Petronella ist ja ohnehin mit Deutsch und Italienisch aufgewachsen, aber das Internet sorgte auch dafür, dass sein Englisch gut ist.

Susanne, die Tochter von Paul und Paula, mit einem Franzosen verheiratet, hat drei Mädchen. Zwei Twens, die ihre Vielsprachigkeit im Hotelgewerbe und in der Brüsseler Lobby einsetzen. Die Nachzüglerin, die gerade lange Beine bekommt und erste Schmink-Versuche unternimmt, wird vermutlich etwas mit Mode machen.

Das ist lustig, wenn die morgens unter unserem Schlafzimmer-Fenster zum Strand aufbrechen,  weil sie je nach Tagesform in Französisch, Deutsch und wenn der Hotelier aus Rom dazu stößt, der auch zwei mehrsprachige Teenys hat, auch noch in Italienisch gleichzeitig aufeinander einschnattern. Von wegen babylonische Sprachverwirrung!

Am Sonntag wird so ein babylonisches Cena in Piazza mit dieser Nachbarschaft stattfinden. Und dann lauschen wir Alten den Mittelalten, wie die in ihrer Jugend halsbrecherisch über die Dächer und Zinnen der Burg getobt sind. Susanne und der Hotelier, der ja hier geboren ist, als Anführer der Rasselbande, die alle eine lebenslange Freundschaft verbindet. Beide sind heute 50...

Ginge es nach der Burg, bräuchte einem um das junge Europa nicht bange zu sein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen