Dienstag, 16. Juni 2015

Ein kleiner Besuch

Ein altes chinesisches Sprichwort lautet:
Wer die Fenster weit öffnet, bekommt viel frische Luft und muss dafür aber die Fliegen in Kauf nehmen...

Damit Letzteres nicht passiert, haben wir vor fast allen Fenstern Fliegenrollos; Zanzariere.
Es scheint, dass vor allem die Jungvögel damit so ihre Probleme haben, denn bei den vielen Gewittern zur Zeit suchen sie möglichst schnell Unterschlupf, und da fliegen sie schon mal dagegen. Das macht aber nichts, weil die Zanzariere weich und elastisch sind. Das konnte die Bachstelze testen, die vorgestern  ins Schlafzimmer wollte.

Bei der Gelegenheit möchte ich auch nachtragen, dass "der Nachtigall", dessen Ausbleiben ich  auf diesem Blog noch vor ein paar Tagen bedauert habe, inzwischen eingetroffen ist. Er singt sein Lied diesmal in angemessener Entfernung zur "Zweitbesten". Was bei mir die Überlegung auslöste, ob die gefiederten Freunde entweder auf meiner Datenleitung sitzen oder jemanden haben, der ihnen von meinem Vogel für Vögel erzählt...

Wie anders ist der gestrige Besuch in unserem Wohnzimmer sonst zu erklären? Also ich liege mit schwerer Lektüre auf der Terrasse und werde durch ein Geflatter in der Konzentration gestört. Ich vermute Balz auf unserem Dach, und gehe der Sache dann nicht weiter nach. Am Nachmittag schreit meine Frau dann ganz erregt:
"Wir haben einen Vogel..."
"Weiß ich doch!"
"Nein wirklich! Hier sitzt ein winzig kleiner Piepmatz und fragt nach dir."

Dazu muss man wissen, dass unser Wohnzimmer unterm Dach von gewaltigen Eichenstämmen des mittelalterlichen Dachstuhls durchkreuzt wird. Das kann bei schneller Vogelflucht schon mal für einen schattigen Baum gehalten werden.

Der Piepmatz schaut mich an und beginnt seinen Gesang.
"Moment", sage ich,"das geht mir zu schnell"
Ich also wieder runter zum Computer, um heraus zu finden, mit wem ich es zu tun habe. Dann rufe ich noch die Stimmanalyse ab, um ihn wenigstens halbwegs verstehen zu können.

Wieder zurück im Wohnzimmer hat er es sich zum Vortrag auf einem Querbalken bequem gemacht. Es ertönt zunächst ein wundervoller Gesang und dann ein ungehaltenes Schnattern, dass ich mit meinen soeben erworbenen Kenntnissen folgender Maßen übersetze:


"Wieso kommen wir in deinem Beitrag nicht vor? Ist unser Lied nicht schön genug?"

"Oh nein lieber Grünfink. Er ist wunderschön. Ich konnte ihn nur nicht zuordnen. Verzeih mir!"

Dann kam erneut eine Grünfinken-Arie, die mit einem gnädigen Keckern abgeschlossen wurde:

"Also berichtige das bitte Vogelfreund! Übrigens. Gemütliches Wohnzimmer. Darf ich noch ein wenige bleiben, bis die blöden Falken weg sind?"

"Bleib so lange du willst. Nur bau kein Nest. Ich mache dir mal alle Fenster auf."

Am späten Nachmittag war der kleine Besuch dann wieder fort. Nicht ohne sich noch den Bauch  an den hängen gebliebenen Fliegen voll zu schlagen.

Die Schlussfolgerung: Wer keine Zanzariere hat, sollte zumindest Grünfinken haben.

Dies werden wissende Ornithologen vielleicht in Zweifel ziehen, denn im allgemeinen gelten die Grünfinken als Vegetarier.

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