Samstag, 11. Mai 2013

Trinkwasser

Wer den Großteil seines Lebens in der Millionenstadt mit dem erwiesener Maßen besten Trinkwasser der Welt  verbracht hat, der tut sich schwer die Selbstverständlichkeit mit dessen Versorgung alarmiert zu betrachten. Doch seit ein paar EU-Lobbyisten laut darüber nachdenken, Trinkwasser zum Handelsgut zu machen, damit die Nahrungsmittelkonzerne ihre gierigen Schlünde noch voller bekommen, ist Misstrauen Bürgerpflicht.

Auf einer Podiumsdiskussion über die Trinkwasser-Versorgung in den touristischen Zentren der Dritten Welt. bei der ich, was die ungebremste Reisetätigkeit der Reichen anging, schon auf dem Weg vom Saulus zum Paulus war, wurde ich einmal gefragt, wo in meinem Leben ich das köstlichste Trink-Erlebnis in dieser Beziehung hatte.

Da musste ich wirklich überlegen:
Im Grüntal - einer Aue im Münchner Stadtteil Bogenhausen - floss der Brunnbach fünfzig Meter von unserer Haustür entfernt idyllisch unter der Böschung des Isar-Hochufers entlang. Im Sommer funktionierten wir die Tröge der Schäfer, die damals diese Wiesen beweideten, in abenteuerliche Kanus um und befuhren den unteren Teil bis kurz vor dem Zufluss in den Isar-Kanal. Im oberen Abschnitt floss der Bach an einem öffentlichen Fußball-Platz vorbei. Da war er noch zu flach zum Schippern, aber dafür hatte er hangnah im Unterholz sprudelnde Quellen. Wir eingeweihten Kinder gingen dort nach jedem Bolz-Match zum Trinken hin, und keine Aussicht auf ein Fanta, eine Bluna oder die meist verbotene Coke hätte die Köstlichkeit dieses Trunks mindern können. Damals war das der Rand der Großstadt. Die Idylle wurde erstaunlicher Weise erhalten, aber ob die Kinder daraus noch heute trinken können...

Das zweite besondere Trink-Erlebnis hatte ich bei einem Überlebenstrip auf der Sinai-Halbinsel. Zwar hatte uns der Sheik von Ein El Agdar aus seinem Tiefenbrunnen für den Notfall versorgt, aber ich wollte eben beweisen, was ich nach dem Tag in der Glut-Hitze vom Überleben in der Wüste gelernt hatte: Ich vergrub den größten Topf vom Camping-Geschirr tief in einem Sandloch, schnitt ein paar noch saftige Zweige (die uns unsere Kamele noch übrig gelassen hatten) von einer Dornen-Akazie, legte sie über den Topf und deckte die Mulde mit meiner Sirius-Rettungsfolie (silberne Seite nach oben) hermetisch zu. Dann legte ich einen leichten Stein in die Mitte über den Topf, so dass eine Art umgekehrter Trichter entstand. Der enorme Temperatur-Unterschied zwischen Tag und Nacht und die früh brutzelnde Morgensonne sorgten ohne weiters Zutun beim Öffnen für einen halben  Liter erstaunlich frischen Wassers in meinem Kochtopf. Wen störten da schon die kleinen Tierchen. Stolz verteilte ich an meine Weggefährten Schlückchen. Selbst erzeugtes Trinkwasser - was für ein Genuss!

Jetzt las ich dieser Tage von Arbeitern, die in Afrika für eine Mineralwasser-Firma zu Minimal-Löhnen schuften und in ihren Dörfern aber keinen Zugang zu gesundem Trinkwasser haben. So wie ihnen soll es nach den Prognosen der WHO bald mehr als der halben Weltbevölkerung gehen. Hunger und Durst werden in unserer Luxus-Welt noch unvorstellbarere Ausmaße annehmen, wenn wir nichts unternehmen. Aber können wir wirklich etwas tun?

Als wir vor mehr als zwölf Jahren auf die Burg zogen, kamen die Leute aus den Nachbar-Dörfern mit großen Kanistern um sich Wasser von unserer Fontana auf der Piazza zu holen. Das Geschmackserlebnis mit unserem Wasser hier stellte sogar meine oben geschilderten in den Schatten. Oberhalb vom Dorf floss da am Weg zum Pizzo ein offenes Bächlein in ein Wasser-Reservoir für die rundum gelegenen Gemüse-Gärten. War es in den heißen Sommermonaten versiegt, kam es auch bei der Trinkwasser-Versorgung zu Einschränkungen. Aber die waren nie so drastisch, dass man sich nicht drauf  hätte einstellen können...

Aber dann begann das Geschäft mir den Ferien-Wohnungen, und die zahlenden Gäste hatten ja Anspruch auf  ihren Komfort. Das Bächlein verschwand, weil ein reicher Norditaliener oberhalb des Dorfes ein großes Anwesen luxuriös kultivierte und aus dem Fußweg mit dem Bach die Anfahrt für seine Gelände-Fahrzeuge machte. Die "Hundertjährigen Geschwister" und all die anderen Horto-Besitzer konnten da noch so viel jammern. Sie mussten nun teures Leitungswasser zum Bewässern nehmen.
Bier und Wein statt herrlichem Quellwasser

Der Wasserpreis hat sich in der Zeit, seit wir hier leben, verdreifacht. Die Qualität verschlechtert sich von Jahr zu Jahr. Unser Wasser kommt jetzt aus der Gegend des Nava-Passes, ist so sedimentreich, dass der gelöste Kalk aus dem Sandstein-Schiefer - wenn man nicht ständig wischt - oxidiert und sich schwarzbraun verfärbt.

Wenn die gewaltigen Sturzbäche vom Himmel kommen - wie gestern Nacht - wird in den Pumpstationen ohne große Überprüfung offenbar soviel Chlor zugesetzt, dass man unser einst so gelobtes Wasser nicht mehr trinken kann.

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