Dienstag, 28. Mai 2013

Schafskälte

Im Italienischen gibt es den Begriff für dieses Klima-Phänomen Anfang Juni nicht. - Noch nicht!

Jedenfalls gestern stand der Nachbar Ludevico traurig vor der Tür und suchte offenbar jemanden zum Reden. Wir hatten ihn und seinen wilden kleinen Pinscher Tobi schon vermisst, ehe wir erfuhren, dass er mit seiner Sippe im Winter die Burg verlassen hat. Die Neunzigjährige Schwägerin kann nur noch trippeln, und das reicht hier oben einfach nicht - vor allem mit so einem Hund. Jetzt leben sie ebenerdig nahe Albenga, aber Ludevico hat den Verlust des Burglebens noch nicht überwunden. Das sieht man. Dabei ist er keine von den üblichen Geronto-Größen hier oben. Zwar ist  auch er schon 78, aber er hat bereits mehrere Bypässe und eine Herzklappe. Trotzdem will er sich noch weiter so lange es geht um das nun  leerstehende Haus kümmern. Über diese anhaltende Kälte kann er nur den Kopf schütteln. So etwas habe er in all den Jahren noch nie erlebt.

Ich tröste ihn damit, dass uns Deutschen dieses Phänomen als freddo delle pecore durchaus geläufig sei. Aber er schaut mich nur an wie ein U-Boot. Meine Übersetzung macht keinen Sinn für ihn, doch er murmelt etwas, das wie "macht die Merkel jetzt auch noch unser Wetter?" geklungen haben könnte.

Der "Zweitbesten" und mir fällt es da schwer, unser In-den-Tag-hinein-Leben zu genießen, wenn wir hören, dass nichts in die Gänge kommt. Das Gemüse liegt niedergeknüppelt auf den Beeten, unsere erbe fine -gerade erst gepflanzt - schießen ins Kraut und reichen bestimmt nicht wie geplant den ganzen Sommer.

Ach Sommer: Das übliche dörfliche Kommunikationszentrum Piazza funktioniert wie ein Radiosender mit langen Stromausfällen. Mal schaut der Gustavo ums Eck mal der Silvio, dem ich bald einen eigenen Post widmen muss. Er ist der letzte Grand Seigneur der Burg, ein drahtiger Mittsiebziger, den die kurz geschorenen, aber vollen grauen Haaren  die capelli tagliati corti  die Aura eines Fünfzigjährigen geben. Er hat mal eine Rosenzucht in Sanremo betrieben , aber vom Hauptberuf ist er Schreiner. Beide Männer sind von der Kälte unterschiedlich betroffen. Gustavo weil er von seinen Agrar-Erträgen leben muss und Silvio, weil er Ferien-Appartements hier oben hat, die normal beinahe durchgehend gebucht sind. Letzterer weiß aber als Rosenzüchter die Signale der Natur zu gewichten, und prognostizierte der "Zweitbesten", dass es in diesem Jahr nicht vor Mitte Juni warm werden wird. - Also gibt es das doch mitunter hier in Ligurien - freddo delle pecore.

Noch betrachten wir es irgendwie als Phänomen, wenn mitten am Tag die Heizung anspringt, obwohl wir das Thermostat auf 12 Grad herunter gedreht haben. Vermutlich verliert das an Reiz, wenn dann die Gasrechnung kommt. Feuchtigkeit und Kälte kriechen förmlich in die alten Gemäuer, und auf unserer Terrasse nutzt Luca die Gunst der Stunde für eine Sanierung, die sonst unweigerlich selbst  bei ihm zu einem ziemlichen Sonnenbrand geführt hätte.

Dank Silvio können wir uns mit den neuen Pflanzen also ruhig Zeit lassen. Wie zum Hohn trägt unser Zitronen-Bäumchen dort oben zwei riesige gelbe und bereits eine neue grüne Frucht - sowie jede Menge neuer Blüten, die einen betörenden Duft verbreiten. Vermutlich denkt es, es sei schon Herbst...

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