Freitag, 24. Mai 2013

Markt-Preise

Nun haben ja glücklicher Weise die EU-Bürokraten dieses merkwürdige Gesetzesvorhaben, nach dem künftig keine Glas-Menageren mit Essig und Öl mehr auf Restaurant-Tischen stehen dürften, vorerst aufgegeben. Angeblich sollen es die Italiener gewesen sein, die es zunächst wohl zur Wahrung der Qualität angeregt hatten.

Hier werden schon seit Jahren in den Restaurants, die wir bevorzugen, nicht nachfüllbare Fläschchen von Marken-Ölen und -Essigsorten entsprechend der Bestellung auf den Tisch gestellt. Die Glas- oder Plastik-Menageren meiner Kindheit, die morgens hin- und abends abgeräumt wurden und von denen man nicht wusste, was  und ob das, was darin schwappte, dann auch frisch war, gehören in Italien schon so lange der Vergangenheit an.

Seit der Kult um das Olio Extra Vergine weltweit die Hobby-Köche nicht nur erreicht, sondern zu einer extatischen Überhöhung dieses Grundnahrungsmittels geführt hat, ist es bei den Preisen aber teilweise wirklich angebracht, die Qualität zu hinterfragen. Denn natürlich wird da  auch Schindluder getrieben.

In den Nachbar-Dörfern mit ihren  feinen Aziende Agricole oder Agriturismi wird auf Basis von Mund-Propaganda mitunter für ein 0,33l-Fläschchen schon mehr als 14 Euro bezahlt. Das Öl ist sicher köstlich, aber wie diese Köstlichkeit erreicht wird, kann eigentlich nur ein Lebensmittel-Chemiker herausfinden. Die Großen Markenöl-Produzenten in Oneglia jedenfalls dürfen nach EU-Norm ihr Extra Vergine offiziell  mit bis zu 25 Prozent verschneiden. Zum Teil mit Granulat aus Nordafrika, das direkt am Pier von Frachtern gelöscht wird.

Besserschmecker veröffentlichen deshalb große Abhandlungen, weshalb gerade das Öl der Azienda, die nur sie nach mühevoller Recherche enteckt haben, in puncto Güte konkurrenzlos sei. Obwohl ich mir auf meine Geschmacksnerven schon etwas einbilde, kann ich da nicht mithalten. Natürlich soll es in erster Linie schmecken, aber der Preis muss für uns auch sinnvoll sein, weil wir unser Öl fürs Kochen, Backen, Braten und zum Anmachen von Salaten, Beizen und Marinaden unisono verwenden. Diverse angebrochene Flaschen für unterschiedliche Verwendung sind da bei unseren Küchengepflogenheiten eher kontraproduktiv.

Die meisten hier in den Valle di Oenglia verfügen natürlich über ihr eigenes Öl oder kennen zumindest jemanden, dem sie - was das Native angeht - vertrauen. Es gibt Spezialisten, wie zum Beispiel den Ex von Petronella, der mit einem feinen Händchen aus seiner Ernte ein Öl-Cuvée aus einem Anteil Mosto d'Oro und der ersten geklärten Kaltpressung mixt. Leider ist diese Quelle für uns versiegt, seit ich bei der Trennung zu Petronella gehalten habe. Wir sind aber  froh, dass Gustavo wieder auf die Burg kommt, weil er erneut mit Signora Girasole zusammen ist. So fällt von seinem köstlichen aber raren Öl wieder der eine oder andere Flasco zum bon prezzo für uns ab.

Aber ehrlich, wegen diesem "aus der Campagna Leben" können wir die Frage, wo das Alltagsleben preiswerter ist - in Deutschland oder hier? - nicht fair beantworten.

Zum Beispiel beim Wein: Neulich habe ich hier für einen mittelmäßigen Vermentino vom Erzeuger mehr als 11 Euro gezahlt. Konsumierten wir in dieser Preisklasse unser tägliches Quantum, fielen wir schon übermorgen der Altersarmut anheim, denn es findet sich ja leider niemand, der mir Vortragshonorare à la  Peer Steinbrück zahlen würde. Weshalb ich seine Bemerkung über Weine unter 5 Euro auch sehr unpassend fand. Dennoch hat er ja irgenwie recht, denn was bleibt nach Abfüllung, Etikettierung  und Zwischenhandel letztlich an önologischem Wert für den Inhalt...

Wie bei unserem generellen Konsum hier achten wir daher sehr darauf, was der Markt jeweils preislich hergibt und stellen dabei immer häufiger fest, dass zum Beispiel durch den Konkurrenzkampf der Supermärkte tatsächlich Weine in der Promotione sind, die uns gut bis hervorragend schmecken. Was dann auch meist den Gusto unserer Gäste trifft.

Zweimal in der Woche - wenn das Wetter mitspielt - gehen wir auf den Markt, obwohl wir wissen, dass die Preise da dem Vergleich mit den Supermercati nicht standhalten - wohl aber, was die Qualität oder die Originalität angeht. Spezielle Würste, Käsesorten aus eigener Produktion oder Standart-Gemüse und Obst aus eigenem Anbau sind uns da einfach sympathischer. Und obwohl Italien im Fälschen von Bio-Produkten eine gewisse Reputation hat, fühlen wir uns an den Ständen, an denen wir mittlerweile bekannt sind, absolut sicher. Wir vertrauen den Empfehlungen und bekommen - wenn wir zögern - sofort Kostproben, die uns dann überzeugen.

In letzter Zeit profitieren wir auf dem Markt  auch zunehmend  vom Kampf um die Kunden in der Krise, was sich bei den diesbezüglichen  regali, die nun fast immer in unseren Tüten landen für einen Zwei-Personen-Haushalt zu einigen Gratis-Mahlzeiten summiert.

Rund ums Glashaus in München passiert uns das nie. Ja - so gesehen, ist das tägliche Leben, die Ernährung betreffend deutlich günstiger.

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