Sonntag, 5. Mai 2013

Lärmende Stille

Es lässt sich ja viel vorstellen. Aber dass das Wetter hier auf der Burg in den zurückliegenden vier Monaten genau so grausig gewesen sein soll wie in Deutschland, das will nicht so recht in unsere Vorstellungen passen. Unsere Nachbarn haben sich alle wirklich gefreut, dass wir wieder da sind. - Und, dass wir Sonne und wärmere Temperaturen mitgebracht haben.

Die kleine Witwe Ada lag mir mit leichtem Tränen-Schleier in den Armen, und der schüchterne Vittorio von nebenan bremste und stieg sogar  extra aus seiner Ape, um uns zu begrüßen. Die emeritierten Musik-Professoren Pasquale und Miranda rissen synchron ihre Fenster hoch über der Piazza auf und verknüpften mit unserer Ankunft quasi ein Signal. - Gleichsam als seien wir Zugvögel in umgekehrter Richtung den Frühling endlich mitbringend. Nur Ludo hatte ein unerschüttertes Sonnen-Grinsen auf, das ihm hoffentlich ein Leben lang bleibt. Nach Jahren des Herumstudierens in der Welt hat seine zauberhafte Giovanna sich endlich entschlossen, zu ihm auf die Burg zu ziehen. Vielleicht läuten ja bald die Hochzeitsglocken. Schön, wieder daheim zu sein!

Es hätte der Horror-Schilderungen von Dauerregen, Staubstürmen und fünfzig Zentimeter Schnee im Dorf eigentlich nicht bedurft. Die Pflanzen auf der Piazza und unser Dachgarten sprachen für sich. Im Haus war es so feucht, dass wir erst einmal die Heizung auf volle Pulle hoch gestellt haben. Auch hängt der Blinke-Stern von Weihnachten noch über der Piazza, und selbst auf dem Appenin liegt noch richtig Schnee. Da hat sich Signora Giardini, unsere Stadtgärtnerin, wohl noch gar nicht hoch gewagt. Wieder wurden durch die Sturzbäche in unserer Gasse weitere Pflasterplatten heraus gerissen. Aber die Flaute in der Gemeinde-Kasse wird uns wohl den prekären Eindruck, den die immer größeren Löcher machen, weiter zumuten. Italien muss ja sparen.

Eine Woche wird es wohl dauern, bis wir unser Haus wieder in Normal-Zustand gebracht haben. Aber was wir von Anfang an genießen wollten, war endlich wieder bei offenem Fenster schlafen zu können... Ermattet von der Reise und leicht angetrunken von der "Wein-Notreserve 1" legten wir uns hoffnungsfroh zu Bett. Aber dann ging es los.

Natürlich wollten uns auch die übrigen Dorfbewohner begrüßen. Die kleinen Eulen mit den Pinselohren, von denen viele bei uns in Deutschland diesmal den harten Winter nicht überlebt hatten, traten den Beweis an, dass ihre ligurische Verwandtschaft fit genug ist für die nächtliche Dauer-Balz. Und weil ich ihre Pfeif-Signale in der Vergangenheit oft irritierend und täuschend imitiert habe, versammeln sie sich diesmal  gleich direkt rundherum mit ihrem Geflöte.

Durch unsere wieder funktionierende Pendule im Glashaus, haben wir ja für das nächtliche Gebimmel von San Giovanni unter unserem Schlafzimmer hier  trainiert, aber die Kirchenglocke schlägt eben auch die halben Stunden mit der vollen Anzahl und einem zusätzlichen Halbton, auf den man im Unterbewusstsein am Ende doch immer wartet...

Die Nacht der "lärmenden Stille" wurde noch gekrönt durch unseren partiell verwirrten Dorf-Geist, der mit einem Eimer Kaffee und einer Taschenlampe ausgestattet beschlossen hatte, seine Monologe direkt unter uns abzuhalten. Da kennt er aber die "Zweitbeste" schlecht. Aus der Tiefe des Raumes donnerte ihre Stimme:"Basta adesso!" Worauf er wohl vor Schreck seinen Koffein-Vorrat verschüttete und verängstigt wie ein kleines Kind jammerte:"Aiuto, aiuto un spirito!"

Daraufhin musste die kleine Hexe neben mir im Bett natürlich herzhaft lachen und blieb - angeschickert wie sie war - so munter, dass sie mich für den Rest der Nacht wach quatschte...

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