Dienstag, 30. Oktober 2012

Schnee von gestern

Maremonti, die ligurische Lebensformel, hat gerade um diese Jahreszeit extreme Überraschungen zu bieten. Vorgestern sind wir mit Lieblingsnachbarn mal wieder zu einer dieser vielgängigen Sonntagsorgien ins Gebirge aufgebrochen. Am Samstag noch mit blankem Oberkörper am Meer, konnte der Kundige mit Internet-Zugang allerdings schon sehen, dass sich ein Wetterwechsel ankündigte: Also erstmals Winterhosen an und die dickere Lederjacke angezogen; die frostbeulige Zweitbeste wählte zum Twinset sogar den Poncho und noch zusätzlich ein Cape. Beide standen wir dann vor unserem Auto und überlegten Steppjacken und Winterstiefel herauszunehmen, denn schon bei der Abreise betrug der Temperaturunterschied zum Vortag gute 20 Grad.

Aber wir wurden ja mit einem Fourwheel-SUV neuester Bauart gefahren.

Unser Ziel war das Restaurant Tramontana in Viozene (Frazzione di I -12078 Omea Cuneo) jenseits des Nava-Passes (Tel. 0039 0174 390 110). Vorher wollten wir noch beim Feinkostladen in Ponte di Nava einkaufen, für den die Pass-Überschreitung alleine schon lohnte. Denn die Spitzenerzeugnisse aus heimischer Produktion sparen dort im Vergleich - selbst zu den am Meer gelegenen Supermärkten - leicht eine ganze Tankladung, wenn man auf Vorrat kauft. Allerdings sollte das nicht mit vor Hunger knurrendem Magen geschehen, weil dann selbst der geräumigste Kofferraum zu klein werden könnte.

Die Fahrt über den Nava Pass ist ja allein schon ein landschaftlicher Hochgenuss. Selbst als wir anstatt der erwarteten Herbststimmung vom einbrechenden Winter umhüllt wurden. Die Flocken umpeitschten die von Markisen geschützte Auslage, was dem Kauf von knackigen Steinpilzen, Gartengemüsen und Back-Spezereien trotz Oktober bereits etwas Vorweihnachtliches gab.

Aber dann begann wirklich ein Wintermärchen: Der Schnee blieb nicht nur liegen, sondern schüttelte auch das gefärbte Laub von den Bäumen, sodass zwischen Herbst und Winter eigentlich nur die zwölf Kilometer Fahrt durch die Schlucht des wilden Fiume Tanàro lagen. 

Bei der Ankunft am Tramontana verkündete die Digital-Anzeige am Albergo zum ersten Mittag nach der  Umstellung auf Winterzeit: -3 Grad  - so als wolle sie unterstreichen, wie passend sein Name gewählt sei. Dieser Gebirgswind mit seinem Schneegestöber vor den Panorama-Fenstern verwandelte nämlich die ganze Atmosphäre in den eher praktisch eingerichteten Gasträumen in eine Art Hüttenzauber, bei der man allerdings Schwierigkeiten hatte, sein eigenes Wort zu verstehen. Weshalb der Burgbriefe-Blogger auch gleich eines seiner bereits verbreiteten Vorurteile (siehe Post "Velocità") revidieren muss: Es gibt doch Ligurer, die sich bei so einem Wetter allein fürs leibliche Wohl auf die Straßen wagen. Ohne Vorbestellung hätte es wohl keinen Platz mehr gegeben.

Alles war lecker, aber nichts herausragend:
Es gab sieben Antipasti, zweimal Pasta, dann panierte Steinpilze, Wildschwein-Gulasch und abschließend gebratene Forelle aus dem Tanàro letztlich gefolgt von einem Teller mit Nachtisch-Variationen. Rot- und Weißwein sowie Liköre und Kaffee waren für 25 Euro inklusive. Wir mussten eine wenig mehr zahlen, weil wir auch ein wenig mehr getrunken hatten als üblich. Typisch Deutsche halt! Man hätte aber - um nicht nur kalorienmäßig etwas günstiger wegzukommen - auch nur die Vorspeisen nehmen können. - Probieren bei den anderen kann man ja immer mal...

Als wir wieder heil auf der Burg zurück waren, kehrten wir auch noch bei unserer neuen Bar auf eine Grappa und einen Espresso ein. Wie berichtet, wird die ja von der ehemaligen Trägerin buntester Jogging-Anzüge betrieben, die ich hiermit zum  - versprochen! - letzten Mal so nenne. 
Zukünftig heißt sie wie ihre Bar: Girasole - Sonnenblume. Denn so hat sie  gestrahlt, als ihre vicini tedeschi erstmals in Mannschaftsstärke bei ihr einfielen...

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