Montag, 1. Oktober 2012

Erkenntnisse

Der philosophische Imperativ "erkenne dich selbst" endet nicht zwangsweise in Selbsterkenntnis. Bei ersterem gerät das Individuum leicht ins Hintertreffen, weil Mitmenschen sich mit dem Blick von außen längst ein ganz eigenes Bild von einem gemacht haben, während Selbsterkenntnis ja ein gerüttelt Maß an Reife und kritischer Distanz zum Ego erfordert.
Seit ich das zudem  noch gekürzte Roman-Fragment Castellinaria in diesen Blog gestellt habe, um das gesundheitlich erzwungene Sommerloch zu überbrücken, erlebe ich fast täglich, wie sich diese eingangs festgestellte Diskrepanz bei Lesern ergibt.

Auf einmal erkennen sich sogar Burggeister in meinen Beschreibungen, die bislang vorgaben, den Blog gar nicht zu lesen. Und das tun sie auch dann, wenn sie für mich als Ideen-Vorgabe  gar nicht im Manuskript vorkamen. Andere wiederum machen mir Komplimente, wie einfühlsam ich den oder jenigen von unseren Mitbewohnern (vor allem die Verstorbenen) hier beschrieben hätte...

Solche Vorkommnisse machen mich nicht nur betroffen, sondern führen auch zu der Selbsterkenntnis, was für ein lausiger Autor ich bin. Das sogenannte "Semi fiktionale" funktioniert ja kaum noch, wenn Menschen sich eben in Gruppen so exemplarisch verhalten, dass sie nur noch schwer von einander zu unterscheiden sind: Fußballfans, Theaterbesucher, Politiker - um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Aber bei Burggeistern doch nicht! Da ändert man Namen, Zusammenhänge und Geschehnisse, würfelt Individuen und ihr Umfeld wild durcheinander, erfindet sie quasi neu. Dann weist da auch noch das Vorwort zur Sicherheit darauf hin, das alles frei erfunden und Ähnlichkeiten rein zufällig sind, doch niemand möchte es einem glauben. 

Gerade in jüngster Zeit ist das in der deutschen Literaturszene einem sattsam bekannten Zeitungsherausgeber und einem Kritiker so ergangen, während die Autoren solches Unterfangen rigoros abstreiten. Nun sind Intellektuelle natürlich über derlei  selbst erkenntliche Signalements erhaben und würden sich nie betroffen zeigen.. Die Leser-Gemeinde aber nicht: "Hast du schon gelesen, was der über den geschrieben hat? Er nennt zwar keine Namen, aber das ist doch eindeutig der X!" 
So etwas hat da zumindest den Effekt, dass die Auflage steigt. In so einem geschlossenen Nutzer-Kreis wie dem der Burg-Briefe aber sind das allenfalls ein paar Zugriffe mehr.

Also liebe Leser nehmt mein Geschreibsel einfach als das hin, was es ist: eine Beschreibung von Alltäglichkeiten, die mir hier unterkommen oder Menscheleien, die erheitern aber nicht der Belustigung dienen sollen.

Wahrscheinlich ist das, was mir zum Literaten fehlt, einfach nur die Phantasie Stories zu erfinden. Mein journalistischer Übervater hat mir einst als jungem Reporter mit auf den Weg gegeben, dass ich beschreiben soll, was ich sehe. Und deshalb erlaubte er mir, das - damals noch verpönt - in der ersten Person Singular zu tun. Das habe ich in meinen stets semi fiktionalen Erzählungen auch so gehalten: Nämlich tatsächliche Erlebnisse zusätzlich mit erfundenen Personen und Handlungen auszustatten...

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