Montag, 24. September 2012

Omi und Opi sind ja so smart

Natürlich ist die Glühwürmchen-Saison längst vorbei. Dennoch flimmert es hier jetzt - da die Dunkelheit immer früher hereinbricht - in den Gassen und Plätzen. Auch in für unbewohnt gehaltenen Gebäuden ist dieses Phänomen zu beobachten.

Wer dann genauer hinschaut, sieht seriöse Leute in meinem Alter somnambul oder wie in Trance hinter diesen Lichterscheinungen her schreiten. Manche bleiben dann in plötzlicher Verzweiflung stehen, und es sieht aus, als griffen sie nach diesen Leuchtwesen. 
Dabei suchen sie nur einen WLAN für ihr Smartphone oder ihren Tablet-Computer in der Nachbarschaft. Entweder weil sie die Kosten im Ausland sparen wollen, selber noch keinen haben oder ihr Vermieter in weiser Voraussicht sein Passwort nicht herausgerückt hat.

Auf der Piazza kommt es dann mitunter zu Beinahezusammenstößen, weil von meinem Netzwerk offenbar ein besonders gut zu empfangendes Signal ausgeht, das den einen den anderen Mitsuchenden leicht übersehen lässt.

Dass ich hier in dieser Hinsicht quasi der Pionier war und als erster und einzelner ein Broadband via Glasfaserkabel durchs mittelalterliche Gemäuer gebohrt bekam, geht mir nun langsam auf die Nerven. Meinen unmittelbaren Nachbarn oder Freunden hier im Dorf habe ich mein Passwort gerne verraten - seit ich nach einem Hacker-Angriff vor sechs Jahren - eine sehr bequeme Flatrate habe. Die meisten von denen sind ja nur kurz auf der Burg und kommen dann auch  nur, wenn es wichtig ist.

Meine Kids - beide bereits jenseits der 30 - samt Anhang können nicht anders. Da war ja ich schuld, als ich ihnen damals zum Gymnasium-Übertritt die ersten Flimmer-Kisten hingestellt habe. Seither sind ihre Berufe ohne all den neuesten Schnickschnack nicht mehr denkbar. Dass sie sich im Urlaub dann mal von den Dingern trennen, um mit ihren Erzeugern zu kommunizieren, ist daher wohl kaum noch zu erwarten.

Richtig angeätzt bin ich aber von den Spätberufenen meiner Generation, die hierherkommen -"weil es bei Euch doch so schön urig ist" - und dann von dieser Touchscreen-Seuche nicht lassen können:
Vergangenes Jahr war ein 70jähriger hier, der jedesmal, wenn ihm ein neuer Befehl auf seinem i-Pad geglückt war, mit der Flimmerkiste durchs Haus eilte, um jeden an seinem Glück teilhaben zu lassen. Da wurde es ganz schlimm, als er im Google auch noch den Übersetzer entdeckte, um dann meine Gespräche mit den italienischen Nachbarn beckmesserisch zu begleiten:
"Du, bei mir heißt das aber ganz anders!" 
Aber dann zu blöd sein, mein DVD-Laufwerk richtig zu bedienen, weil eine seiner stolz aber fehlerhaft "Selbstgebrannten"  sich darin verklemmt hatte...

Den paartherapeutischen Effekt dieser Dinger möchte ich allerdings nicht länger infrage stellen. Kürzlich war ein Paar zwischen Ende 60 und Anfang 70 hier, die sich unterschiedlich elektronisch ausgestattet hatten: Er ein Smartphone, sie ein Tablet. Beide mehr oder weniger Anfänger auf dem Gebiet der Computer belehrten sich tagelang dann dozierend gegenseitig, was sie so alles falsch machten. Es war wie gewissermaßen  ein "Update" von Ingmar Bergmanns Meisterwerk "Szenen einer Ehe": Es begann mit falschem Eintippen und endete mit Dingen, die ich dir die vergangenen 50 Jahre schon immer mal sagen wollte...

Aber wegen welcher überaus wichtiger Übertragungsinhalte wird denn da überhaupt gestritten? Die eine schickt ein Video vom Teller im Restaurant. Der andere sendet nun eine e-mail statt wie bisher eine SMS, weil er da das jpeg vom Sonnenbrand seiner Frau attachen kann.

"Mei, ist des schee ursprünglich auf  Eianer Buag! Wia im Mitteloita, dös muaß i oba  itzt glei amoi  der Lizzy post'n!"

Ach, Du guter Aldous Huxley! Da war ja Deine "Schöne neue Welt"  noch romantischer.

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