Sonntag, 16. September 2012

Lass jucken Yukka!

Wenn die Zweitbeste nicht auf der Burg ist, fühlt sich niemand so recht für die Pflanzen auf der Piazza Castello zuständig. Signora Giardini samt Bandito sind einfach überfordert, wenn es wie heuer wieder wochenlang nicht regnet und die assistente tedesca nicht täglich gießt. Entsprechend traurig sah alles aus, als ich nach der Sommerpause in Deutschland wieder schwer beladen über die Piazza schnaufte. Nicht eine der Pflanzen erhob erfreut die hängenden Zweige, Blätter oder traurigen Restblüten. - Mit vier Ausnahmen!

Aber dazu muss ich die Vorgeschichte erzählen:
Einmal weit zurückliegend im letzten Jahrzehnt kam unser Nachbar Don Philippo und fragte, ob wir nicht Verwendung für eine Pflanze hätten, die ihm über den Kopf gewachsen sei. Der drahtige mittlerweile 70jährige, den wir gerne so aussprechen, dass es wie Don Flippo klingt, war Vorstand in einer der nördlichen Metropolen und mochte es da schon nicht, wenn ihm etwas über den Kopf wuchs. Also der flippige Philippo bog, nachdem meine Frau zugestimmt hatte, wenig später derart heftig durch einen der Torbögen zur Piazza, dass das turmhohe Ungetüm - bis dahin sturmerprobt - sein Haupt verlor. Doch auch schon vorher hätte das Gewächs kaum zu dem stets aus dem Ei gepellten, tief gebräunten "Parttime Resident" gepasst. Er stets in harmonischen Farbtönen bis zu den Schuhen hin abgestimmt mit diesem aschgrauen, ausgefransten und nun auch partiell kopflos schwankenden Ding, dass noch nicht einmal ein gesundes Grün in seine ausgefransten Blätter pumpen konnte...

Doch die Zweitbeste kann eben keiner geschundenen Pflanze die Fürsorge vorenthalten. Obwohl ich seitlich zwischen den Zähnen zischte: 
"Das ist eine Yukka-Palme!!!!"

Wieso dieser Warnruf? Wir haben so ein Ding, das sich seit annähernd zwei Jahrzehnten an unsere Familie klammert. In meinem Büro, für das sie ursprünglich gedacht war, wollte ich sie nicht. Weil sie mehrere Tötungsabsichten mit Wasserentzug, CocaCola und Zigarettenstummeln durch dreistes Wachstum konterte,  landete sie im Badezimmer, wo sie sich anschickte das herrlich strahlende Bad in eine Dschungellandschaft zu verwandeln. Als wir nach Italien umzogen, bot ihr die ähnlich wie meine Frau gestrickte Schwester Asyl. Aber eben nur so lange wir in München keine Residenz hatten. Jetzt steht sie seit zwei Jahren im Glashaus direkt an der Fensterfront. In diesem Winter wurde es dann aber auch der Zweitbesten zuviel. Sie schnitt sie derart zurück, dass selbst die mythologische Hydra diesen chirurgischen Eingriff nicht überlebt hätte. Bei meiner Abreise hatte sie aber dann doch fast schon wieder mit einer Vielzahl von Pinseln die Decke erreicht.

Wir wussten also, dass die Yukka quasi die "Fünfte Kolonne" der Botanik ist, wie die Küchenschabe diese Rolle bei den Gliederfüßlern einnimmt. Und so kam, was kommen musste. Obwohl in eine Schatten-Ecke verbannt, und bestimmt aus Rache dafür, was wir ihrer Schwester in München alles angetan hatten, bildete das Ungetüm an der Bruchstelle zwei Häupter und schoss nach kurzem Kräftesammeln weiter gen Dach. Ihre Länge wurde derart bedrohlich, dass ich um ein Abstürzen in die darunter liegende Gasse und Personenschäden zu verhindern, Mauerhaken und Schlaufen installieren musste, damit sie den Winterstürmen standhalten konnte.

In diesem Frühjahr verlor dann auch die "Hüterin hässlichster Pflanzen" ihr Mitgefühl: 
"Hau sie weg", befahl sie mir rüde. 
Aber da hatte sie den Falschen ausgesucht.
"Das kannst du doch nach all den Jahren meiner Fürsorge nicht von mir verlangen", entgegnete ich mit einem bösen Lächeln hinter den gespielten Tränen.

Dann fällte ich das Ding - aber nicht ohne vorher im Internet geschaut zu haben, wie man aus einer Yukka-Palme im Prinzip einen Yukka-Wald machen kann: Die zwei Kronen pflanzte ich in zwei aufgegebene Kübel mit magerer Rest-Erde. Zwei meterlange Stümpfe stellte ich in einen Wassereimer, und den alten Reststumpf brachte ich nicht wie befohlen zum Sperrmüll, sonder ließ ihn dort stehen, wo er schon immer war.

Mögen alle anderen Gewächse auf dieser Piazza ihre braunen Köpfe hängen lassen. Nicht aber meine vier Yukka-Palmen (der fünfte Stumpf schlägt auch schon aus - hihi). Sie erheben ihre frisch grünen Kronen stolz und kraftvoll. Und selbst neben dem alten Stumpf erhebt sich aus dem alten Wurzelwerk ein bereits beachtlicher Fächer - so schön wie nie zuvor...

Ich weiß, das ist blanker Öko-Terrorismus, aber der sich ausbreitende Dschungel wird doch wohl Pfeffer in den Ehe-Alltag bringen, wenn die Signora dann kommt.

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