Sonntag, 21. August 2016

Shine On Me!

Fußball unter Gottes Segen und mit Flutlicht!






















Wer ein normales Fernglas hat, könnte von unserer Terrasse sehen, wie sich die Bewohner des zu unserer Gemeinde zählenden Nachbarortes gegenüber  in der Nase bohren oder am Kopf kratzen. So nah sind wir beieinander. Und doch trennt uns ein tiefes Tal.

Natürlich beobachten wir sie nicht durchs 'Fernglas, sondern folgen den elegant kreisenden Rauhfuß-Bussarden, so wie die entfernten Nachbarn das auch tun. Der Tal-Schulter entlang ist es eine Fahrt von ein paar Minuten, zu Fuß - je nachdem ob bergauf oder bergab - sind es zwanzig Minuten bis zu einer halben Stunde.

Unser Capo Luogo hat zwei Klein-Fußball-Felder und einen Tennisplatz sowie noch den Hartplatz direkt am Gemeinde-Zentrum, wo aber fast nur noch die Sagre (Essen mit Musik und Tanz aus besonderen Anlässen) veranstaltet werden. Die Plätze sind im Sommer nahezu verwaist. Wer will sich bei Kunstrasen-Temperaturen von um die fünfzig Grad schon Brandblasen holen?

Im Nachbar-Ort, der so extrem auf einer Felsnase liegt wie unser Castello hier oben, sind die Gassen noch enger. Wer so Wand an Wand und Fenster an Fenster lebt, bekommt einiges mit, und deshalb verhält sich die Bewohnerschaft deutlich reservierter. Die Kinder von unserer Bekannten Juliane mussten deshalb auch nicht groß aufgeklärt werden...

Aber was wir leider schon lange nicht mehr haben, ist ein Restaurant oder eine echte Bar, wo man sich am Abend auf einen Drink verabreden kann. Unser Nachbar-Ort hat beides. Das Restaurant serviert seit Jahr und Tag zum Preis von 23 Euro ein vier Gänge Menü mit Wein und Kaffee inklusive. Die Vorspeisen sind frisch angerichtet und frittiert. Die Pasta ist legendär, und großartiges Fleisch erwartet man in Ligurien eh eher selten. Aber es ist tadellose Casareccia.

Sind unsere Nachbarn gelegentlich mal aufgetaut (- wie die Wirtin bis zum Nachtisch), dann erfährt man von einem überraschenden Zusammenhalt. Juliane ist die Verbindung zum dezenten Tourismus, der dort längst nicht das Dorfleben derart tangiert wie bei uns.

Das kann im Ernstfall so aussehen wie am vergangenen Wochenende: Ein Holländer hat fürchterliche Zahnschmerzen. Ein türkischer Taxi-Unternehmer aus Hamburg bittet Juliane um Hilfe. Die ruft die ganze Küste nach einem Notdienst ab. Der hat Sonntagsdienst, arbeitet also erst ab dem nächsten Morgen. Man möchte sich doch bitte an den Kollegen wenden , der am Samstag Bereitschaft hat. Aber es ist bereits viertel vor Sechs.

Juliane lässt nicht locker und erreicht den Dentista, der gerade am Gehen ist. Ein Viertelstunde könne er noch warten. Hier erweist sich die in Deutschland geborene Psychologin mit ihrem perfekten Italienisch in Engelszungen  als unersetzlich. Ende gut, alles gut, als sie erklärt, wo sich der vom Zahn geplagte Flachländer aufhält.

Als wir vom Essen mit Juliane aus dem Restaurant kommen hat uns das Hamburger Taxi eingeparkt. Was aber nichts ausmacht, weil jeder den Türken kennt. Bis er kommt, beobachte ich, wie ein Vater vor dem Kirchen-Portal mit seinen Buben Fußball spielt. Die Eingangs-Säulen sind das Tor, und die Beleuchtung sorgt für das Flutlicht. Der Abend ist kühl und friedlich.

Da denkt auch der Agnostiker:"Shine on me!"

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