Montag, 26. November 2012

Rotes Pferd in dünnen Scheiben

Wenn in unserem mittelalterlichen Geister-Dorf die Nebel derart durch die Gassen wabern, dass selbst die Beleuchtung auf der Piazza kaum noch durchkommt, löst das bei unseren verbliebenen italienischen Freunden und Nachbarn eine fast nicht stillbare Lust auf deutsche Winterküche aus: 

So auch am letzten Samstag. Da haben wir Petronella und Maurizio eine Bauern-Ente mit Rotkraut und Schlesischen Knödeln aufgetischt. Vorweg gab es einen Wildblatt-Salat mit gerösteten Pinien- und Kürbiskernen getoppt von in Sahnebutter gebratenen Wachteleiern. Hinterher einen Crumble aus Äpfeln und Birnen... 
Schon allein hier eine Ente aufzutreiben, ist fast ein Lotterie-Gewinn. Normalerweise müssen wir nach Menton. Aber dann ist es eine Barbarie, zu der die deutsche Machart nicht recht passt. Genauso verhält es sich mit einem Kopf frischen Rotkohls...

Die Zweitbeste und ich kochen hier auf der Burg zusammen, was ich als Zeichen von Altersresignation empfinde, denn früher wäre das gar nicht gegangen. Das Kochen war immer eine Klippe, an der unser altes Ehe-Schiff gerne zu zerschellen drohte. Allein die Zubereitung des Rotkrauts entzweit uns ja schon. Meine Frau besteht darauf, den geschnittenen und vorgewürzten Kohl über Nacht mit einem Gewürz-Säckchen in Rotwein anzusetzen. Am nächsten Tag kocht sie das ganze mit Zwiebeln, Äpfeln und einer Portion Apfelmus unter Hinzufügung von Essig und Enten-Fett zu Tode. Hat diesmal leider  Maurizio so großartig geschmeckt, dass er den halben Topf alleine inhaliert hat. - Ja wenn man nicht weiß, wie's auch schmecken könnte...

Ich bevorzuge mein Pfannen-Rotkraut, das parallel zur Ente in kurzer Garzeit hergestellt wird. Dabei werden in der Wok-Pfanne nur die dünnen Teile der fein geschnittenen Rotkohlblätter mit Speckwürfeln, Zwiebeln und Knoblauch scharf gebraten, bis sie die Hälfte ihres Volumens verlieren. Dann übernimmt ein Glas Rotwein quasi das Blanchieren, und schließlich gebe ich von dem Entenfett einen kleinen Schöpfer hinzu. Am Ende schmecke ich mit Balsam-Essig, schwarzem Pfeffer und Rohrzucker bei höchster Hitze so ab, dass das Kraut noch pikante Röst-Aromen entwickeln kann...

Aber dafür durfte ich ja die Ente machen, was fast zu einer Katastrophe geführt hätte, weil ich ohne Brille nicht gesehen hatte, dass das Viech nicht ordentlich gerupft war. Also die Ente wird bei mir nur von innen gewürzt. Und zwar mit einem geviertelten Apfel, einer geviertelten Zwiebel, einer großzügigen Portion entkernter Backpflaumen und geschälter Maronen (ca. je 100 Gramm) sowie drei Schoten Peperoncino und je einem gestrichenen Esslöffel grobem Salz und feinen Kräutern aus der Provence. In der Ente wird das mit einem Löffel ordentlich gerührt und zusammen gemanscht. Dann wird die Ente mit Zahnstochern durch die Hautlappen verschlossen. Zwei Stunden schmort sie in einer offenen Raine im Backrohr bei nur 100 Grad. Sie schwitzt dabei ihr bereits gewürztes Fett aus. Deshalb reicht es, sie gelegentlich zu wenden. Auf keinen Fall aber Salz auf die Haut geben und nicht die Geduld verlieren (wie die Zweitbeste), wenn sich in dieser Zeit keine wesentliche Veränderung an dem Tier ergibt. Eine halbe Stunde bevor die Gäste kommen, erhöht man die Temperatur auf 160 bis 200 Grad und übergießt mit dem Fett, bis die Haut sich bräunt. Wenn die Vorspeise serviert wird, kommt die Ente von der Raine bei Höchsttemperatur auf den Grill-Rost zuerst mit der Flügel-Seite, dann beim Abservieren der Vorspeisen-Teller mit der Brust nach oben. Durch das Abschmelzen des Unterhaut-Fettes müsste sich das so entstandene Vakuum derart aufplustern, dass sich ein pergamentener Knusper-Effekt wie bei der Peking-Ente ergibt. Im Prinzip reichen als Beilage die Fülle und das Kraut. Die schlesischen Knöderl der Zweitbesten waren für mich nicht der Burner, aber unsere Gäste haben Sie fast vollständig vertilgt.

Allerdings wären sie dabei fast erstickt. Nicht wegen der Qualität des Essens, sondern eher wegen der italienischen Beschreibung der Zubereitung. Mein Frau ist ja in Grammatik viel besser als ich, aber bei den Vokabeln bringt sie gelegentlich etwas durcheinander::
"Ho tagliato il cavallo rosso a fette sottili!"
Das Gekreische hättet ihr hören sollen.
"Ich habe das rote Pferd in feine Scheiben geschnitten."
Gemeint hatte sie natürlich il cavolo rosso den Rotkohl.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen