Donnerstag, 7. Juli 2011

Eine Art Zauberberg

Sempre le mani polite       Acryl auf Pappe
Die Tage werden schon wieder deutlich kürzer und erinnern mich daran, dass über die Hälfte der Burgtage für heuer schon wieder vorbei ist. Wer Leser der "Steine aus dem Glashaus" ist, wird sich vorstellen können, wie sehr die hier selbst auferlegte Vermeidung politischer Themen mein Zornventil strapaziert. Es gäbe ja genug Themen zum Dampf ablassen: die Wählergunst heischenden Versprechen von Steuersenkungen, die Lieferung von Panzern an die Saudis, die außenpolitischen Spiegelfechtereien beim Vorsitz im UN-Sicherheitsrat und die unerträglichen Besserwissereien und Erpressungsversuche unseres selbstberufenen Wirtschaftsministers, der ja schon bei der sogenannten Gesundheitsreform grandios gescheitert war...
Aber auch zu Füßen unseres Burgberges hier in der Wahlheimat wird das weltweite Symptom der Loslösung demokratisch gewählter Politiker vom Wahlvolk immer drastischer. Vom Volksvertreter zum Volksverräter - das scheint jetzt die Regel. Anders ist es nicht zu erklären, wieso das Bunga-Bunga-Sparpaket in erster Linie zu Lasten der kleinen Leute geht. Schulen und Krankenhäuser werden geschlossen, wo es keine alternativen Standorte gibt. An der Costa dei Fiori gibt es jetzt schon zigmal mehr Jachthäfen als moderne Krankenhäuser. Der Fachärzte-Mangel ist so krass, dass es an der Küste mit all den Tauchern und Schwimmern auf fünfzig Kilometer weniger als ein halbes Dutzend HNO-Ärzte gibt...

Mitläufer           Mischtechnik auf Malkarton
Der Cavaliere, der ja nun wirklich seine ganze Verwandtschaft überreichlich versorgt hat und selbst viel zu alt ist, um noch große Teile seines Riesenvermögens auszugeben, könnte schlagartig sein mieses Image verbessern, wenn er sich - Bill Gates zum Vorbild genommen - von einem Vermögensanteil in Höhe von 25 Prozent des aktuellen italienischen Sparpaketes verabschieden würde...

Warum er das nicht tut? Er hält sich vermutlich wie die meisten Despoten im Inneren seines Wesens für unsterblich.Dies ist nach Theorie eines Doktors der Sportphilologie aus Jena, der mich  jahrelang beruflich begleitete, das eigentliche Wesen des Despotismus und die Triebfeder für scheinbar unendliche Schaffenskraft.
Er unterteilte die Charaktere der Macher in goethische und schillersche: Während der schillersche Charakter im Bewusstsein seines bald eintretenden Todes seine Schaffenskraft derart strapaziert, dass er den Löffel meist tatsächlich frühzeitig abgibt, ist der goethische dank der unterbewusst vergegenwärtigten Unsterblichkeit in der Lage, die Dinge ohne Hast voranzubringen und ein statistisch überlanges Leben voller Schaffens- und Liebeskraft zu führen...

Leider hatte ich vergessen, meinen Freund Hubert zu fragen, wo er sich selbst aufgestellt hätte. Er ist knapp über fünfzig an einem Herzinfarkt gestorben, weil er trotz seiner ausgeprägten Liebe zu harten Drinks noch an einem Ultramarathon teilnehmen musste.

Ja, wieso erzählt uns der Obelix das nun alles so breit? Das hat hier mit der Burg und mit  unserem Literatur-Nobelpreisträger Thomas Mann zu tun, der ja in jeder Beziehung ein goethischer Charakter war: Wer knapp vor seinem Tod mit 80 einen so köstlichen Roman wie "Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" verfasst und mehr als ein Vierteljahrhundert davor ein so seherisches Denkmodel wie den "Zauberberg", der verdient diese Unsterblichkeit.

Wenn ich die letzten vierzig Jahre in der Geschichte dieses Borgos überblicke, erkenne ich da durchaus Tendenzen, dass es sich bei den "zauberbergschen Momenten" hier oben um einen durch die Zeitläufte verursachten Automatismus menschlichen Verhaltens handeln könnte. Als Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts die ersten Ruinenbaumeister hier auftauchten, waren sie wohl alle davon beseelt, sich für die Gegenwart aber vor allem auch für das damals noch weit entfernte Alter ein Stück Italien und ein Rifugium zu schaffen.

Da aber das Leben durchaus kein Wunschkonzert ist, lief es parallel zu den Vorstellungen eben weiter:
Die einen ließen sich scheiden, die anderen starben vor der Zeit. Bei wieder anderen änderten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die dieses dualistische Denken einst zuließen. Manche kamen mit neuen Partnern. Am befriedigsten war das Engagement hier oben wohl für die, deren Erben sich von Kindesbeinen diesem Zauber ergeben haben.

Manche "Überlebende" sind nun 40 Jahre älter und denken darüber nach, doch lieber "daheim" sterben zu wollen und verkaufen jetzt ihren Traum unter Schmerzen und Tränen. Was war das wertvollste an diesem Besitz? Doch nicht der Wiederverkaufswert! Die blödeste Plattitüde ist ja die vom letzten Hemd, welches keine Taschen habe. Der Besitz zu Lebzeiten - so bescheiden er sein mag - hat doch durchaus seine zauberhaften Aspekte.

Nein, der alte Konfuzius hat es richtig erkannt:

Schöne Tage - nicht weinen, dass sie vergangen, sondern lächeln, dass sie gewesen...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen