Mittwoch, 11. Mai 2011

Wind

                                               Windmalerei



Auf der Burg leben, heißt mit den Winden leben. Obwohl ich mein Leben lang Wasser- und Bergsport betrieben habe, wäre es mir nie in den Sinn gekommen, mir über die Namen der Winde oder gar ihre Charaktere Gedanken zu machen.Jetzt nehme ich sie wahr, als seien sie vertraute Mitbewohner des Felsgrades. Manche mag ich, weil sie mich aufleben lassen, andere lassen mich leiden und quälen mich so, dass ich sie schon spüre, wenn ich beim Aufstehen noch gar nicht hinausgeschaut habe.Das sind auch die rauen Gesellen.

Ihre Namen von Nordwest nach Nordost: Maestrale, Tramontana und Grecale. Wenn der Tramontana (durch die Seealpen) aus Norden weht und Regen oder Schnee mit sich bringt, müssen wir die Fensterläden schließen und Handtücher auslegen, weil er das Wasser unters Dach und mitunter ins Wohnzimmer presst, wo wir bei der Renovierung die alten Holzfenster der Atmosphäre halber erhalten haben. Der Maestrale ist der finsterste Geselle. Er kommt mit D-Zug-Geschwindigkeiten aus Nordwest am liebsten dann, wenn niemand zu hause ist und er großen Schaden anrichten kann. In diesem Winter hat er zwei je 20 Kilo schwere, verklebte Schieferplatten von unserem Portico auf das neue Dach des Nachbarn geschleudert und zwanzig Ziegel zerschmettert. Welch ein Glück, dass bei dem Wetter sowieso niemand durch die Gassen geht. Einer der scharfen Splitter hätte tödlich sein können.
 Dass der Grecale ein mieser Kerl ist, hatten schon die Erbauer unseres Hauses vor ein paar hundert Jahren berücksichtigt. In der einen Meter dicken, über drei Etagen reichenden Ostmauer gibt es nur ein tiefliegendes Giebelfenster und die Not-Treppe. Der Nordostwind, nördlich der Alpen eigentlich ein Garant für schönes Wetter, ist hier der Schlechtwetterwind, weil er die Feuchtigkeit der Po-Ebene über den Appenin presst und wie ein Fallbeil auf uns herabsausen lässt. Mit einer Kraft, die nicht gesicherte Blumenkübel wie Staubkörner durch die Luft wirbelt.

Von den beiden parallel zur Küste wehenden Winden Ponente (West) und  Levante (Ost) bekommen wir hier oben wegen des Trichtertales nur angenehmes Fächern mit. Auf dem Meer beim Fischen schätze ich sie beide, weil sie mir in der einen oder anderen Richtung auf Fangkurs helfen Diesel zu sparen und ihre Wellen mein Boot angenehm surfen lassen.

Mein Lieblingswind ist der Libeccio aus Südwest, um den sich zahlreiche Legenden ranken - wie um jeden, der jedermannes Freund zu sein verspricht. Dieser überwiegend schönes Wetter bringende Schmeichler öffnet einem tatsächlich derart die Brust, das man sich frei und leicht fühlt. Bei großer Hitze kühlt er und nächtens soll er angeblich die Liebe beflügeln. Der Dichter Jean Genot, der sich auf seinen Fluchtjahren zu Beginn der 1930er auch in Ligurien versteckt hatte, beschrieb aber auch seine Schattenseiten. Denn beim Abflauen macht er traurig und depressiv. Und so passierte es in seiner Erzählung, dass Liebespaare in den Steineichen-Wäldern durch die Alten abgeschreckt wurden, die sich dort gerade erhängt hatten... Und dreißig Kilometer südlich, im Norden ihrer Insel, sind die Korsen über den Libeccio gar nicht glücklich. dort türmt er ungebremst meterhohe Wellen auf, die die Seefahrt am Auslaufen hindert.

Der Ostro aus Süden und der Scirocco aus Südost, die die Hafenverwaltungen eines ums andere Mal zu hohen Reparaturkosten nötigen, weil sie die Betonmolen aus Riesenwellen mit Felsbrocken bombardieren, kommt uns hier oben eher gespenstisch. Der Ostro sorgt mit seinen Nebelschwaden  in den Übergangszeiten, dass wir uns unvermittelt fühlen wie im Hochgebirge. Da treiben die Wolken herauf und lassen in Sekundenschnelle die wenige Meter entfernten Nachbarhäuser verschwinden. An Silvester 2009 war das so. Das ganze Dorf war auf den Terrassen versammelt, um das Feuerwerk zu beobachten, und dann war es wie im Krieg. Es blitzte und donnerte, aber gesehen haben wir nichts.

Last but not least der Scirocco, der bei uns wohl am bekanntesten ist. E kann schon mal im Hochsommer für plötzliches Frösteln sorgen, weil er aus für mich nicht näher ersichtlichen Gründen die Temperaturen fallen lässt. Es könnte sein, dass er mitunter aus sehr großer Höhe daherkommt. Dann heißt es für weiße Wände Farbkübel bereit halten, denn er bringt rosa Sahara-Sand mit, der mit Regen vermischt für einen unfreiwillig resistenten "Neuanstrich" sorgt.







Hier eine hübsche thematische Ergänzung von einer meiner Lieblingsleserinnen Tina:
Eine gespenstische Gedankenübertragung ist das fast........
Auf meinem typisch deutschen Schreibtisch im Büro steht neben den üblichen Beamtenutensilien auch ein italienischer Sonnenstrahl, der mich
daran erinnert, daß es auch mehr gibt im Leben als Excel-Listen,
Chefdater, nicht endend wollende "runde Tische", "Brainstormings"(auch
eine Form von Wind)"Kick-off Meetings" und 1/2 Stunde Mittagspause:Der Langenscheidt Deutsch-Italienisch Kalender !Und heute habe ich die Seite vom 09.Mai abgerissen, da ich gestern nichtim Büro war.......(die vom 10. natürlich auch.....)Jeder Tag des Jahres hat auf der Vorderseite eine italienische Lern
Lektion in Form eines kleinen Kreuzworträtsels, Gedichtes oder der Thematik "Sitten und Gebräuche", die Rückseite ist dann mit der deutschen Übersetzung beschriftet.Und auf diese Art hole ich mir jeden Tag ein Stückchen Italien ins Büro,auch die bösen Worte kann ich so wunderbar "herunterschlucken", weil ja mindestens ein italienischer Satz dabei ist....(siehe Burgbrief über die Stille!)

Und die heutige Thematik lautete: La Bora!Richtig......auch die Bora ist ein Wind,und in diesem Kalenderblatt wird die besondere Beziehung der Menschen um Triest zu diesem Wind beschrieben, diese ist so intensiv, dass ihr sogar ein
Museum - Museo della Bora - gewidmet ist... Ich weiß nicht lieber Obelix, wie es Dir dabei geht, aber nicht umsonst haben die Winde in Italien einfach "DEN"Klang......und in Italien tragen sie nicht nur den Staub der Sahara ins Land, sondern auch den Geruch der Kräuter von den Bergen, des Meeres und der Nadelbäume hoch in den Wäldern in die Dörfer... Das macht sie so einzigartig und unterscheidet sie von den "anderen" !


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