Montag, 2. Mai 2011

Versuch über die Stille

Drifting On                           Digitally Your's   Series
                                    


Manche machen ein derartiges Gedöns und soviel Lärm um ihre Suche nach der Stille, dass sie völlig überrascht sind, wenn sie auf einmal von ihr umfangen werden. Vielleicht liegt das ja eventuell daran, dass sie Stille mit ihrer Sehnsucht nach Ruhe gleichsetzen. Es sind ja zwei ganz unterschiedliche physikalische Felder. auf denen wir uns hier bewegen. Die Stille ist Akustik - also Lautlosigkeit. Die Ruhe ist fehlende Dynamik. - Nichts bewegt sich mehr. Wer sich gleichzeitig in beides mit aller Konsequenz hineindenkt, kann leicht zu des Wahnsinns kesser Beute werden... Was wäre denn absolute Stille in Kombination mit totaler Ruhe?

Die Oster-Ferien sind vorbei, die traditionellen Besuche der Verwandtschaft  unserer italienischen Nachbarn bei Oma und Opa (Nonna e Nonno) sind anstandshalber absolviert, und dann gab es ja auch die Firmung für die nachrückende Generation.

Die ausländischen Bewohner der Burg sind in ihre jeweilige Heimat zurück gekehrt. Diejenigen - wie wir - die den permanenten Spagat im Dasein betreiben, geraten dann in einen merkwürdigen Schwebezustand. Da weder rollige Katzen, noch vom Tourette-Syndrom geplagte Nachbarn derzeit die nächtliche Stille stören und die pfeifenden Steinkäuze sowie die Nachtigallen noch auf sich warten lassen, ist die Stille so schwer zu ertragen, dass wir im Halbschlaf das halbstündige Gebimmel der Hauptkirche unterhalb des Borgos zum Mitzählen herbeisehnen. Wir schlafen schlecht und bleiben deshalb morgens länger im Bett.

Und dann wird uns besonders schmerzvoll bewusst, dass einer fehlt, der uns im vergangenen Jahrzehnt immer wegen unseres Lotterlebens geschimpft und angetrieben hat. Der Don kommt nicht mehr jeden Morgen, um sich mit einem Kaffee an unseren Tisch zu setzen. Der Don ist vor einem Monat fern von seinem geliebten Garten an der "Burgmauer" und all den Gebäuden gestorben, die er seit den sechziger Jahren geholfen hat, in ihren Ursprungszustand zurück zu versetzen. Jetzt müssen wir uns selbst aufraffen, um die Schäden des Winters zu beseitigen.Streichen und Pflanzen, Spachteln und Sägen - das schlechte Gewissen treibt uns die ersehnte Ruhe aus.

Das, was sich heute so malerisch präsentiert, dass eine Besichtigung in diversen Reiseführern empfohlen wird, war als der Don und sein Schwager hier erstmals heraufkamen, noch eine Ansammlung von Ruinen und dem Verfall preisgegebener Häuser. Auch andere, mittlerweile verstorbene Ruinen-Baumeister haben in dem vergangenen halben Jahrhundert dazu beigetragen. Dass am Oster-Sonntag beim traditionellen Brunch an der Kapelle San Lorenzo mitten in den Olivenhainen unterhalb des Ortes diese erste mit der mittlerweile vierten Generation Salsice grillen und Colomba knuspern konnte, lässt für die Zukunft hoffen. Auch wenn die letzten der Pionier-Generation und die verbliebenen Einheimischen sich bereits dieser endgültigen Kombination aus  Stille und  Ruhe nähern...

Der Don selbst wollte von Ruhe nichts wissen. Er streifte noch jeden Morgen auf seinem Inspektionsgang durch die Gassen, brachte den neuesten Klatsch mit, schimpfte über den Pfusch der Gemeinde an der baulichen und sanitären Infrastruktur und packte noch kräftig mit an, als die schreckliche Krankheit bei ihm schon längst Oberhand gewonnen hatte.

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