Montag, 13. September 2021

Zum Glück gibt's die Gesundheitskarte

Einer, der wie ich gut sieben Jahrzehnte nicht nur durch die Welt gezogen wurde, sondern sie dann auch noch selbst intensiv bereist hat, kann ein Lied davon singen, wie die Gesundheits-Systeme weltweit funktionieren. Auf Basis dieser Erkenntnis behaupte ich, dass wir Deutschen die sozial gerechteste und technisch bestens funktionierende Gesundheits-Fürsorge genießen; auch wenn wir oft meckern.

In meinen reisenden Kinderjahren nahm ich vom Balkan bis Marokko alles an Rotkreuz- oder Roter-Halbmond-Stationen mit, was auf der Route lag. Mal war es rätselhaftes Fieber, mal ein Riesen-Furunkel dann wieder eine Verletzung, die sich beim Herumtoben mit fremden Spielgefährten entzündet hatte.

Komischer Weise war es das dann, und meine zum Teil abenteuerliche Zeit als beruflich Reisender verlief meist absolut störungsfrei. Von kurzen Darm-Erkrankungen einmal abgesehen. Auch die schwereren Ski-Unfälle meiner Jugend ersparte ich mir später in einer Zeit, in der ich bis zu sechs Monate im Jahr beruflich auf Ski stand.

Wenn ich mich ans Kranksein als Kind in Italien erinnere, fällt mir immer ein Primar aus Padua ein. Es ging darum, dass meine Eltern wegen einer Risswunde an meinem Knie von der Rotkreuzschwester die Empfehlung für eine Tetanus-Auffrischung bekamen. Doch die war schwerer zu bekommen, als sie wohl gedacht hatte, weil die von einem Arzt verschrieben werden musste. Wegen der Sprach-Probleme - mein Vater behalf sich ja meist mit Latein - wollte keiner der angesprochenen Ärzte ran, weshalb wir schließlich beim Chef vom benachbarten Krankenhaus landeten. Der schüttelte nur den Kopf, spritzte mich ohne Wartezeit und nahm dafür keinen Pfennig.

Ob es damals schon den "Codice Bianco" für Ausländer gab, der eine Gratis-Behandlung nach den vorrangig zu behandelnden Einheimischen vorsieht, entzieht sich meiner Kenntnis. Als die später als "zweitbeste aller Ehefrauen" apostrophierte, dann hier an Ferragosto 2008 einen beinahe tödlichen Herzinfarkt überlebte. ändert sich meine Einstellung zum hiesigen Gesundheitswesen schlagartig. Trotz all der bürokratischen Hürden, die mit normalem Krankheitsbild zu überwinden sind, funktioniert der "Pronto Socorso" in Ligurien richtig gut.

Aus Sorge um die verfließende Zeit hatte ich meine Frau noch selbst mit den eindeutigen Symptomen ins Tal hinunter gefahren. Das war wohl Instinkt, denn auf dem Behandlungs-Tisch kippte sie weg und musste wieder belebt werden. Aber dann verlief alles wie am Schnürchen. Als sie stabil war,  wurde sie von Ambulanz-Fahrern nach Sanremo gefahren, die ihre Ausbildung wohl in der "Formula Uno" gehabt hatten.

An das  versteckt am Berg liegende Klink-Konglomerat hatte ich zuvor wegen meiner "Taucher-Ohren" nur lange Wartezeiten und Unübersichtlichkeit in Erinnerung. Aber die Kardiologie irgendwo im Untergrund gehörte zu den modernsten der Riviera. Zwei Stents und zwei Ruhetage später war sie wider bei mir, und zu unserem Glück übernahm eine Deutsche Ärztin in Porto Maurizio die Nachsorge. Die schloss meine in Berlin geborene Frau wegen ihres Berlinerns sofort in ihr Herz: "Akzeptian se det - se sind nun ne Herzpatientin. Sonst sin sie Neese!"

Wenn jemand mal ein vorrangiges Argument für das Funktionieren des Europäischen Gedankens braucht, muss er hier nun nur mit seiner Gesundheitskarte zum Arzt gehen.
Weil unsere liebe Dottoressa Q in ihren längst überaus verdienten Ruhestand gegangen ist, war ich im vergangenen Jahr bei der Nachbestellung für mich lebenswichtiger Medikamente noch zögerlich. Deshalb ging ich mit meiner Verschreibungs-Liste samt ihrem QR-Code direkt zu unserem Apotheker. Ich bekam alles anstandslos, musste aber später die Rechnung bei der Krankenkasse in Deutschland einreichen, was der gar nicht gefiel.

Wozu hätten wir denn schließlich unsere in ganz Europa geltende Gesundheitskarte???


Jetzt haben wir wieder eine deutschstämmige Ärztin über das Internet ausfindig gemacht, die sogar einmal in der Woche in unserem Tal-Ort praktiziert. Ruckzuck hatte ich meine Rezepte, und die Zuzahlung war sogar nur halb so hoch wie in unserer Münchner Apotheke. Was für ein Segen - im Vergleich zu früher - ist diese Gesundheitskarte. Allerdings leben wir nun in einer Zeit der Daten-Sicherung. Wer seine Termin-Anfrage über das allgemeine Ärzte-Portal eingibt, darf  sich nicht wundern, wenn beim ersten Tippen seine kompletten Personal-Daten automatisch erscheinen. So ist es eben - das zunehmend digitalisierte Gesundheitswesen. Hauptsache man ist dann in der Praxis nicht nur irgendeine Nummer...

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