Freitag, 24. September 2021

Last but not... - lost

Von den Nazis  als entartet
verunglimpft und zum Teil
zerstört, aber durch seine
Selbstporträts unsterblich:
Der "Brücke"-Künstler
Ernst Ludwig Kirchner
1880 - 1938
Quelle: brueckemuseum.de
Wäre ich ein richtig guter Maler - ich abstrahierte mich in einem später mal berühmten Selbstbildnis.
Wäre ich von Sendungsbewusstsein und vom Alter unabhängigen Größenwahn beseelt, so wäre ich vielleicht Präsident einer Supermacht. Wäre ich ein wirklich guter Mensch, täte ich mich gütlich am Gutes Tun...

Leider kein Treffer! So bleibt mir eigentlich nur das Philosophieren. Philosophieren kostet nichts - auch wenn es ums Nachdenken über die eigenen Unzulänglichkeiten geht. Aber ist es nicht arrogant zu glauben, schon zu sein, nur weil man denkt?

Seit zwei Jahrzehnten sind mein Nachbar Peer und ich - egal ob beim Golfen, auf meinem Boot oder im Vorbeigehen auf der Piazza - immer wieder nach kurzer Zeit dabei, die Tiefen den Seins auszuloten. Längst blähen sich unsere Nasenlöcher beim Angeben nicht mehr so auf, wie einst, als wir gerade begannen, mit Nichtstun unseren Lebensabend zu gestalten und den Zeiten nachzuhängen, da wir noch im Beruf das Sagen hatten.

Im Gegensatz zur morgendlichen Sozialisation mit meiner Schweizer Freundin, bei der es gerne auch zu Rechts-Links-Reibereien kommt, sind  Peer und ich uns mittlerweile richtungsneutral über den tragischen Zustand der Welt einig, Das spannende an unseren Gesprächen ist, dass wir gegensätzlich reagieren. Peer, der ehemalige Spitzenmanager aus einer Zeit, da die Computer mit großen Zuwachsraten der Welt das Rechnen abnahmen, stammt aus einer Gegend Deutschlands, in der man den Leuten nachsagt, den alles prägenden Pragmatismus bereits mit der Muttermilch eingeflößt zu bekommen.
Daher meint er, wieso sich aufregen, wenn er doch nichts ändern könne? Ihm ginge das alles - gelinde ausgedrückt - am Gesäß vorbei.

Mich hingegen bedrückt meine Machtlosigkeit leider nur allzu oft: wie auch heuer der Tod mir nahe stehender gleichaltriger Menschen. Dabei ist doch klar, dass wir jetzt die letzte Generation darstellen und genauso beim gleichen Fatalismus angekommen sind wie einst unsere Eltern. Die meinten ja tatsächlich im Hinblick auf unsere Zukunft und mit Rückblick auf die vom Massentod geprägten und überlebten Kriege sowie der allgegenwärtigen atomaren Bedrohung, sie hätten es so gut gehabt, wie wir das Leben in Zukunft nimmer mehr erlebten.

So, das sind wir also wieder! Glauben wir, nur weil wir heute besser über die Verkommenheit mancher Mitmenschen informiert werden als damals, weil das Querdenken digital multipliziert und manipuliert gerade in Mode kommt, Diktaturen auf dem Vormarsch sind und das Säbelrasseln der Supermächte wieder lauter wird, müssten es unsere Deszendenten schlechter haben?

Tatsächlich formiert sich gerade - so rasant wie sich das Klima wandelt - auch ein gesellschaftlicher Wandel, den wir nicht mehr verstehen und schon gar nicht ändern oder beeinflussen können. Es wachsen im Guten wie im Bösen Genrationen nach, die allein auf sich gestellt aus der Zukunft machen müssen, was ihnen eingebrockt wurde, Auch Despoten und Diktatoren werden mal sterben, aber es werden sich auch immer wieder neue aus diversen Gründen an die Macht drängen. Genau wie hie und da dann zum späten Ausgleich wieder "Friedenstauben" aufsteigen. Die Erkenntnis tröstet nicht, aber sie generiert Hoffnung: In der Geschichte wiederholt sich immer alles

Gut vernetzter Philosoph:
Richard David Precht auf Facebook

Die Philosophie, die uns die Dinge vordenken möchte, kommt ja auch nicht länger mit Rauschebärten und Professor-Brillen daher, sondern wird nun wohlfeil in Massen-Medien aufbereitet und auch im Netz gut vermarktet.

Uns bleibt als derzeit letzte Generation aber die dankbare Erkenntnis in den eigenen Grenzen keinen weiteren Krieg erlebt zu haben. Die historisch bislang einzigartige Segnung von über sieben Jahrzehnten Frieden in Deutschland kann uns trösten. Wir sind deshalb beileibe keine verlorene Generation, Wir  hatten - der Vorsehung sei Dank -  auch keinerlei Zeitverlust, wie er jetzt schon von den "Pandemie-Generationen" so arg betrauert wird. 

Wir sind schon last, but not lost!

Als Philosoph ebenso dürftig
wie wenig vernetzt:
Der Blogger mit Pandemie-Bart
und Professor-Brille.
Wo es an Kunst mangelt,
muss fürs Selbstporträt
dann eben ein Selfie her...




Wie sich einer den Lebensabend vorstellte, der noch nicht so richtig alt war:
Goldene Götterdämmerung
Claus Deutelmoser 2009. Oil on Canvas

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