Mittwoch, 1. September 2021

Requiem

Cesare, der Lebensgefährte von unserer Schweizer Freundin und mittlerweile auch uns ans Herz gewachsen, macht sich fürchterliche Vorwürfe, dass er Uli gebeten hatte, während der Abwesenheit des Paares im Orto nach seinen Hühnern zu schauen. Uli ist, als er für das Feder-Vieh besonders leckeren Salat pflücken wollte, über eine Mauer abgestürzt und hat sich dabei mitten im Unwegsamen tödliche Verletzungen zugezogen...

Obwohl Cesare kein Kirchgänger ist, und Uli und seine Doris eher nicht an Gott glaubten, ließ er es sich nicht nehmen, unserem Freund ein Requiem auszurichten. Dass er nicht nur in der Abwesenheit unseres eigentlichen Pfarrers einen Ersatz-Gottesmann aufgetrieben hat, sondern dass zu diesem Anlass auch wieder einmal unsere älteste Kirche, Santa Anna, für dieses Requiem aufgesperrt wurde, zeigt wie wichtig ihm  vorgestern dieser Anlass war.


"Ich bin doch Christ!", meinte er nur lapidar zu seinen Beweggründen...

Szene aus "Amadeus"
von 1984
Im Glauben vereint, aber nicht unbedingt in Gläubigkeit zeigte die Dorfgemeinschaft, dass sie Uli trotz seiner zurückhaltenden Art als einen der Ihren betrachtet. "Toleranz dem Toten!" hätte meine alternative Überschrift  zu diesem Post heißen können. Denn ohne die im Gottesdienst und seiner Liturgie  erfahreneren, italienischen Nachbarn, wäre der Pfarrer wohl Alleinunterhalter geblieben.

Wie immer, wenn ich mich zu so einem Anlass in eine Kirche zwinge, oder von meiner katholischen Frau dazu genötigt werde, packt mich das Ritual. Aber vermutlich auf andere Weise wie die übrigen Trauergäste. Dann habe ich zu Requiem - Mozarts letzter Komposition - eine im Film dramatisch umgesetzte Rivalität zu Salieri vor dem inneren Auge.
https://www.youtube.com/watch?v=Dp2SJN4UiE4
Mozart war ja kein verkanntes Genie, sondern eher ein leichtsinniges, leichtlebiges. Uli hingegen schuf quasi in dieser Abgeschiedenheit hier Grafiken, Gemälde und Skulpturen von einer Qualität, der ich ein größeres Publikum und mehr Anerkennung zu Lebzeiten gewünscht hätte.

Uli Kreh: Schutz-Vogel

Beim Ritual mit Oblate und Wein habe ich leise das Kirchlein verlassen. So weit reicht dann bei meinen eigenen, einschneidenden Erlebnissen mit diesem kirchlichen Brauch während meiner Konfirmation und dem mit ihr herbei geführten Ende meiner Gläubigkeit, die Toleranz eben doch nicht.

Ich setzte mich friedlich auf die Bank im Schatten und stellte mir vor, wie Ugo der Bewahrer sich über dieses Requiem in Santa Anna gefreut hätte. Schließlich hatte der im vergangenen Winter verstorbene Mäzen erheblichen Anteil an der Renovierung der mehrere hundert Jahre alten Kirche. Ich sah in meiner Phantasie sein gleichzeitig gütiges aber auch verschmitztes Lächeln. 

Uli Kreh:
Meerjungfrau
- gefasste
Skulptur aus
Oliven-Holz

Vielleicht kann ich ja Doris  - wenn sie etwas Abstand gewonnen hat - dazu bewegen, in der auch von Ugo initiierten Bibliothek hier oben eine Ausstellung von Ulis Werken anzuregen. Zwar un tedesco, so war er doch gewisser Maßen auch ein lokaler Künstler...

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