Donnerstag, 25. September 2014

Was soll ich denn noch schreiben?

Gestern waren wir bei unserem Teilzeit-Nachbarn Gerold in eines der schönsten Hauser des Borgos zum Abendessen geladen. Gerold handelt mehr als Hobby so nebenher mit ausgesuchten italienischen Weinen. Er ist quasi ein wandelndes Wein-Lexikon, aber  er lässt Vorträgen auch einzigartige Beispiele folgen. Er folgt dabei vorrangig seinem eigenen Geschmack und erreicht doch reich an Kenntnis, was gut ist, eine enorme Trefferquote bei seinen Gästen und Kunden. Nach fünf Weißweinen und drei Rotweinen habe ich dann gepasst. Nicht etwa, weil ich nach den eleganten Probier-Mengen einen im Tee gehabt hätte, sondern weil ich das Gefühl bekam, mit jeder weiteren Kostprobe den vorangegangenen Kreszenzen Unrecht anzutun: Es war ein önologisches Elysium.

Heute ist Blogger-Tag, und ich wünschte mir für mein Geschreibsel eine ähnliche Trefferquote im Geschmack, wie sie der Gerold bei der Darreichung seiner Weine hat. Auch ich lasse mich ja thematisch davon leiten, was ich gut finde, aber ich kann ja nicht ständig etwas schreiben, was allein der Gefälligkeit unterliegt. Da unterscheidet sich Weine zu verkosten extrem vom Bloggen.

Die "Zweitbeste", die Bücher wie "Unser Haus in Frankreich" oder "1000 Tage in der Toskana" kiloweise verschlingt, drängt mich - obwohl sie keinen meiner Posts je gelesen hat: "Sowas musst du schreiben! Das interessiert die Leute!"

Dann habe ich immer eine ganz extrem kurze Zeit Gewissensbisse, dass ich ihr nicht das Leben eines Bestseller-Autors bieten kann und besinne mich dann aber darauf, dass mir diese herrliche Jetztzeit im Internet die Möglichkeit bietet, zu veröffentlichen, was mir gerade in den Sinn kommt. - Ob das nun mehr oder weniger Leser überzeugt, interessiert mich sicher auch, aber das ist eben nicht an meine Existenzerhaltung geknüpft,  In sofern sind der Gerold mit seinem Weinen und ich mit meinen Texten  uns dann irgendwie ähnlich.

Und dann wäre ja da noch die Frage, wer  oder was den Leser-Geschmack beeinflusst: Bei einem Blog gibt es keinen Auflage-Zwang, keinen Verleger, der einen mahnt, wegen der Produktionskosten nicht mehr als 180 Manuskriptseiten abzugeben - und schon gar keine Agentin, die selber noch nie eine vernünftige Zeile zu Papier gebracht hat, aber verlangt, es müsse vor allem das Herz der Leserinnen angerührt werden.

Da sitze ich doch lieber bei frischen Schälnüssen von meiner "Marktschlampe", einem "Capra" vom Bergbauern,, einem Pecorinoe Sardo molto stagionato und einem nicht ganz so prominenten Barbera aus dem Piemont auf meiner Terrasse und beobachte, wie ein Falke über mir im tiefen Blau des Herbsthimmels seine eleganten Kreise fliegt. Ja, und dann kommt auch noch die "Zweitbeste", die gerade aus den Trauben von Falco, den Überreifen Tomaten von Signora Electra, Curry, Ingwer  und unseren selbst gezogenen Peperoncini einen grandios pikanten Sirup als aktuelle Begleitung zum Käse komponiert hat.
Aber so etwas würde ich natürlich nicht schreiben. Schon um meine Leser nicht neidisch zu machen.

Im übrigen danke ich denen für eine Woche mit neuem Zugriffsrekord, obwohl die Posts aus meiner Sicht nicht gerade prickelnd waren. Natürlich sind das keine Millionen, wie sie der Typ bei YouTube erreicht, der eine Nudel mit dem Mund schlunzt um sie gleich wieder aus der Nase zu ziehen...

Mich quält beim sich nähernden Ende der Burgbriefe-Saison nur noch eine letzte Frage:
Was soll ich denn noch schreiben?

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