Donnerstag, 11. September 2014

Gäste - oder das Leben der Anderen

Keine Frage. Die " Zweitbeste" und ich freuen uns immer, wenn Gäste auf die Burg kommen. Ganz besonders, wenn die unsere Kinder sind und auch noch Freunde mitbringen, die wir von klein auf kennen und quasi auch "partymäßig" groß gezogen haben.

Aber dann auch wieder nicht so. Gäste bedeuten mehr für mich als für meine Frau, dass der Alltagstrott, den wir uns als Burggeister angewöhnt haben, einer spontanen Kreativität als Programm-Gestalter, Zeit-Jongleure und Entertainer unterworfen werden muss.

Die "Früchte unserer Lenden", wie wir sie gerne nennen, wenn sie uns  - wie vor ein paar Tagen - ein Begrüßungskonzert mit selbst geschriebenen und komponierten Songs auf der Piazza geben, unterliegen nämlich einem Mutationsprozess: 34- und 32jährig verwandeln sie sich in die Kids von einst zurück , sobald sie hier sind, und weil auch die Freunde "Müttis" Fürsorge von klein auf gewohnt sind, verfallen sie auch gleich altem Komfort-Denken. Wenn ich ihr dann vorwerfe, dass sie die Brut wohl wieder "pampert", als seien keine 20 Jahre vergangen, dann wirft sie mir Fürsorge-Neid oder gar Eifersucht vor.

Also verkrümele ich mich in den Weiten der mittelalterlichen Bruchbude und ertrage das Gewaber selbst gedrehter Zigaretten (sie sollten wirklich nicht wieder mit de Rauchen angefangen haben!!!), stolpere über mit zeremoniellem Aufwand gefüllte, halb ausgetrunkene, überall im Haus abgestellte Capuccino-Tassen - sage aber nichts, weil ich mich ja nicht als Spaßbremse isolieren möchte.

Dann offenbaren diese im Job so Toughen alsbald auch noch eine Antriebsschwäche, die zu endlosen Diskussionen führt, was man denn an diesen fünf vom Jahresurlaub abgezwickten Tagen machen könnte. Spüre ich da dann den heimlichen Zwang von einst?

"Papi? Was wollen wir denn heute machen?"

Von "wir" kann aber schon lange keine Rede menr sein. Das gilt auch für andere Gäste aus dern Verwandt- und Bekanntschaftskreis: Wer immer sich ankündigt, dem wird gesagt: "Ihr könnt gerne kommen, aber wir machen kein Programm für euch!"

Als mir neulich ein alter Weggefährte beim Abschied durch die Blume andeutete, was für absolute Langweiler die "Zweitbeste" und ich geworden seien, musste ich ihm leider mal kräftig etwas vor den Latz geben. Bin mir aber nicht klar, ob er das dann überrissen hat. Denn er war ja schließlich im Urlaub hier!!!

Ja Leute! Das ist der Unterschied. Wir leben hier. Wir lieben unser Haus und verkriechen uns gerne darin. Hat ja auch genug gekostet. Wir haben das Meer vor der Tür, deshalb frequentieren wir die Strände erst wieder, wenn sie uns annähernd alleine gehören und wir die Wegelagerer-Parkgebühren nicht mehr bezahlen müssen. Wir gehen zweimal die Woche, aber nicht täglich, in ein Restaurant unserer persönlichen Hitliste und brauchen daher nicht ständig ultimative Hinweise, wo wir unbedingt mal hingehen müssten. Aber wenn ihr zu den Nachbarschaftsgelagen mit den Burggeistern kommt, seid ihr herzlich willkommen, damit ihr daheim schwärmen könnt, wie ursprünglich das hier noch ist. Unser Leben ist langweilig: Kulturell und sozial verkommen wir total, aber wenn ihr wieder weg seid, atmen wir auf, weil das eben genau das ist, was wir wollen, ohne dass ihr uns ein Gefühl des Unausgefülltseins zurück lasst.

Dass wir todtraurig sind, dass unsere Kinder morgen wieder fort sind, verarbeiten wir dann einfach in einem Sad-Song.

Sad songs say so much!", singt Sir Paul Mccartney, mit dem wir aufgewachsen sind und der noch ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel hat...

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