Sonntag, 9. Juni 2013

Wes Brot ich ess...

Als wir offenbar nicht genug andere hatten, waren unsere größte Sorgen hier oben die um unser täglich Brot. Der Alimentari im Capo Luogo zwei Kurven unter uns hatte zwar frisches, aber bis wir mal so aus den Federn kamen, war der Lebensmittelladen trotz seiner überschaubaren Klientel dann doch immer ausverkauft. Kurze Zeit später hätte auch früheres Aufstehen nichts mehr gebracht, weil er aus Alters- und Rentabilitätsgründen  dicht gemacht hat.

Über Jahre hätte es keine Alternative gegeben, als die sieben Kilometer bis zur nächsten Bäckerei hinunter zu kurbeln. Aber wer macht das schon gerne halb verschlafen und mit nüchternem Magen?

Inzwischen hat die emsige Rosalia  ein blitzsauberes Lädchen aufgemacht, das die Zweitbeste schon aus Erhaltungstrieb so oft frequentiert wie nur möglich. Rosalia hat aus Fehlern der Vorgänger gelernt und achtet auf gute bis ausgezeichnete Qualität, aber die Kunden müssen sich auf  ihre Öffnungszeiten einstellen.Und das eben ist der Haken bei unserer Schlafmützigkeit. Unsere Brot-Situation hätte sich dadurch nur unwesentlich gebessert, weil wir medikamentös bedingt heut ja noch länger schlafen...

Also griff ich zur Selbsthilfe und schaffte einen Back-Automaten an. Wie immer bei neuen Geräten sorgte die anfängliche Begeisterung für wirklich emsige Nutzung. Mannigfaltige Backmischungen und Sauerteig schleppte ich aus deutschen Reformhäusern an, und Hefe gab es - wenn nötig - frisch im Supermarkt. Ob Grau-, Vollkorn oder Dinkelbrot: alle Zutaten wurden abends in dieser Kiste angesetzt und dann entsprechend programmiert. Wenn man Glück hatte, wurde man in den Morgenstunden vom Duft frischen Brotes geweckt. Das Glück hing davon ab, dass nächtens nicht mal der Strom ausfiel, was in früheren Jahren immer wieder passierte. Dann wurde die Programmierung zurückgesetzt und musste besten Falles derart neu gestartet werden, dass frisches Brot erst am Nachmittag bereit stand. Schlechtesten Falles steckte der Rührflügel in einer halb gebackenen Pampe fest.

Außerdem musste ich mit meinem blöden Formalismus bald feststellen, dass mich diese komische Würfelform aus dem Automaten nicht nur nicht ästhetisch befriedigte, sondern auch meinen Anspruch ans Selbermachen in keiner Weise gerecht wurde.

Der Backautomat verschwand eines Tages in die hinterste Ecke des Geräteschrankes, wo er seither mit einem Elektro-Wok und einem angeblich so gesunden Wasserbad-Freiluft-Grill Skat spielt. Ich selbst erinnerte mich daran, dass zwar Meister nicht vom Himmel fallen, aber im Handwerk dann gegebenen Falles (?!) goldenen Boden fänden.

Unser Zwei-Personen-Kleinst-Grill-Backofen machte mich zum Daniel Düsentrieb der Back-Experimente und verbreitete meinen Ruf als etwas eigenartig in dem Tempo in dem der Duft meiner Brote durch den Borgo waberte. Dass das Mitesser zeitigte, machte mich natürlich anfangs stolz, wurde dann aber lästig. als ein paar allergische Nachbarsknaben vom oberen Dorfrand herausfanden, dass sie mein Dinkelbrot nicht nur vertrugen, sondern dass es ihnen auch besonders gut schmeckte. Fortan lungerten sie begierig auf der Piazza herum. So schnell hatte ich noch nie ein Kilo Brot verputzt gesehen.

"Unser täglich Brot gib uns heute" aber sollte ja nicht zur Pflicht ausarten...

Eine Wende brachte die Anschaffung eines Kombi-Kühlschranks mit riesen Froster, der mich an Höhe sogar noch überragt. Allerdings schaffte es erst das zweite Gerät unbeschadet auf die Piazza. Die Lieferanten hatten einfach die logistische Herausforderung hier oben unterschätzt und schrotteten das erste Gerät.

Jetzt nehmen wir gerne von unserer Münchner Bäckerei den größten Laib "Bauernkruste" mit, den diese fertigen kann und frieren den zerteilt in Wochen-Rationen ein. Das reicht für anderthalb Monate.

Aber der Euro-Wandel hat ja auch hier für mehr Brotsorten gesorgt, und wir haben dazu gelernt. In Ligurien gibt es nicht  mehr nur die blassen, schneckenhäusigen Semmeln meiner Kindheit, die nicht knusprig und auch nicht gesäuert wurden. Es gibt tatsächlich eine Vielzahl knackiger Frühstücksbrötchen, die sich  in unterschiedlichsten geometrischen Formen und Geschmacksrichtungen prima einfrieren und aufbacken lassen: Rustici, Aurigi, Ciabattini, Crostini - sowie die Baguette-Semmeln, die jetzt wohl weltweit ihren Siegeszug angetreten haben.

Wer die Erkenntnis gewinnen will, dass Bäcker zwar das gleiche tun, aber das Ergebnis, dann doch noch von Fall zu Fall großartiger ausfallen kann, sollte früh aufstehen und im Angolo di Pane von Oneglia diese Spezialitäten durchprobieren. Eine noch gewaltigere Dimension des Brotbackens erschließt übrigens die Boulangerie Artinasale gleich neben dem Nordeingang in der historischen Markthalle von Menton. Das schwarzkrustige Paysan von dort ist auch sehr gut zur Vorratshaltung geeignet.

Ach ja! Trotz Merkel und angeblicher Deutschen-Feindlichkeit führt auch der italienische Super-Supermarkt nun Marken-Vollkorn und -Graubrot.

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