Samstag, 22. Juni 2013

Treppauf, treppab

Selber Schuld, wer sich von Romanen oder in ihnen vorkommenden Figuren beeinflussen lässt! Als Autor weiß einer doch, dass dem anderen nur das Morgen-Müsli in die falsche Kehle geraten sein muss, um unter seinen Protagonisten auf den nächsten Seiten, die er schreibt, ein Gemetzel anzurichten...

Dennoch kann ich mich in diesen Tagen nicht dagegen wehren, dass zwei Bücher, die ich sehr schätze, weil sie wirklich große Literatur sind, meine Stimmungen beeinflussen:
Das eine ist Sten Nadolnys "Die Entdeckung der Langsamkeit" das andere Milan Kunderas " Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins". Um meinen heutigen Post zu verstehen, muss man die nicht gelesen haben, weil allein schon die beiden Titel signifikant für das Geschilderte sind.
Nur soviel: Sten Nadolnys Held hinkt immer hinterher, was ihn am Ende jedoch nicht daran hindert, Epochales zu leisten. Die Protagonisten bei Kundera überleben den Horror der untergegangenen CSSR und e r l e b e n dann eine Zeit schier unendlicher Liebe und Sinnlichkeit, die abrupt durch einen Autounfall beendet wird.

Wenn man so will, sind die Zweitbeste und ich hier auf der Burg derart angekommen, dass wir (endlich) sowohl die Langsamkeit entdeckt, als auch die Unerträglichkeit der Leichtigkeit im Sein erleben. Oder sollte ich fairer Weise sagen, dass ich das so sehe? Denn nach beinahe fünf Jahrzehnten des Zusammenseins wird immer deutlicher, dass allein der Antagonismus zwischen unseren Charakteren das bewirkt hat.

Brächen wir beiden Ex-Buchhändler eine Erörterung über die obigen Romane vom Zaun, sähe meine Frau folgende Quintessenz :
"Siehst du, du alter Hektiker, dass es gar nichts bringt, wenn man immer vier Sachen auf einmal machen will. Mach lieber mal eine richtig!" Und zur Leichtigkeit des Seins: "Gibt's denn was Schöneres, als wenn auf dem Höhepunkt des sinnlichen Rausches junger Körper schlagartig Schluss ist? Den bleiben dann doch all die spätere Streitereien, Sorgen um die Kinder, Krankheiten, Schmerzen und das alt Werden per se erspart!"

So ist sie - die Zweitbeste. Sieht immer das noch halb volle Glas, während ich bereits der getrunkenen ersten Hälfte nachweine. Sie trinkt, um die unermessliche Schönheit um uns herum noch schöner zu erleben. Ich trinke aus Angst, diese unerträgliche Leichtigkeit des Seins mit ihr könnte enden...

Wir beide sind, medizinisch sowieso - aber auch was die Menge angeht, typische Vertreter des Altersalkoholismus; kontrolliert zwar, aber doch zu tadeln.

Das ganze hat allerdings eine logistische Seite, die unsere Sucht zumindest ein klein wenig sportlich zurecht rückt: Jede Flasche, die wir leeren, muss 300 Meter vom Parkplatz zur Piazza über einen teilweise sehr steilen Weg hinauf geschleppt werden. Jede leere muss wieder in den Glas-Container hinunter.

Jetzt hat die Zweitbeste noch eine weitere Methode für den Ablass unserer Alkohol-Sünden entwickelt. Obwohl wir einen fabelhaften Weinkühler aus Frankreich haben, mit dem wir gemütlich auf der Terrasse unter unserem Schirm sitzen  könnten, besteht sie seit neuestem darauf, dass wir uns den Wein glasweise vom Kühlschrank unten holen. Das sind 30 Stufen hinunter - also nach Adam Riese jedes Mal  60 treppauf treppab.
Der kleine, runde Wonneproppen macht das tatsächlich. Ich zähle auch nicht mehr mit, wie oft. Sie tut das mit der vollen Power der für sich entdeckten Langsamkeit und genießt anschließend die absolute Erträglichkeit im leichten Sein. Denn sie hat auch eines der schönsten Argumente für sich entdeckt:

"Weißt du Spatzl! Je mehr ich trinke, desto fitter werde ich."

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