Mittwoch, 26. Juni 2013

Gestörter Burgfrieden

Coloro che vengono dal mare vuole derubarci. Wer vom Meer kommt, der will uns ausrauben, das war Jahrhunderte lang der Grund, weshalb die Ligurer über ihren regulären Dörfern auf exponierten Lagen ihre Flucht- oder Wehr-Dörfer gebaut haben. Das schaffte für die Bösen strategische wie logistische Probleme. Wer da hoch will, muss ja wieder hinunter - und das, was er erbeuten will auch.

Noch heute schützt das unseren Borgo davor, dass teure Geräte und Möbel aus den Ferienhäusern geschleppt werden. Aber da rund um uns herum Natur ist, in der man schnell verschwinden kann, kommen immer mehr "Wander-Banden" in unsere Dörfer. Sie sind auf Handys, Kameras, Laptops und Schmuck sowie natürlich Bargeld spezialisiert. Im Gegensatz zu anderen Einbrechern (scassinatori) bevorzugen sie Häuser, wenn die Bewohner (Touristen?) drin sind. Möglichen - und in Kauf genommenen - Begegnungen rücken sie mit Betäubungsgas zu Leibe, was rein strafrechtlich aus einem leichten Einbruch auch in Italien schweren Raub macht. Die Überfallenen haben aber meist wenig von der Strafverfolgung, weil diese Banden  - woher sie auch immer kommen mögen (für die hiesige Polizei sind das natürlich Rumeni, Russi e Albanesi und auf keinen Fall Italiani) nur Gebiete mit dünner Polizei-Logistik und hoher Eigenheim-Dichte aussuchen.

Im Nachbar-Ort, in dem es heuer schon sieben dieser Einbrüche (auch bei Einheimischen) gegeben hat, wurde bereits eine Art Bürgerwehr aufgestellt. Bei uns fand  Sonntagnacht der dritte statt. Vorher wurden schon Don Flippo und seine Frau sowie die Foletti buoni überfallen. Die Heinzelmännchen haben daraufhin schwere Gitter vor die Fenster parterre machen lassen, die die Flippi aber schon hatten. Dass die Räuber dennoch hinein gelangten, lässt den Rückschluss zu, dass sie entweder akrobatische Zwerge oder gar Kinder dabei haben, die durch die kleinsten Öffnungen hinein gelangen und dann von innen öffnen. Aber sie sind auch excellente Handwerker, die ein Schloss ausbauen, ohne dass der vermeintlich dadurch Geschützte einen Laut davon hört. Und ordentlich sind sie auch noch, denn die ausgebauten Teile, werden sorgfältig aufgereiht daneben gelegt - (für's nächste Mal?).

Sonntagnacht jedenfalls war es schon unheimlich - wegen der verwinkelten Akustik in unseren Gassen. Ich war gerade spät zu Bett gegangen und gegen 1 Uhr 30 eingeschlafen, als die Zweitbeste mich weckt und meint, da schreie doch jemand um Hilfe. Ich sehe nur den Mond und antworte, das sei vermutlich unser am Tourette-Syndrom leidender Burggeist Carlo, der schon in den Nächten davor laut und ausdauernd gespukt hatte. Aber da kommt schon das nächste A i i i u t o o o!!!, und das ist eindeutig eine Frauenstimme. Also Adrenalin in die Schlafmützigkeit und raus auf die Piazza!

Das Opfer war Signora Girasole, die einst durch ihre bunten Jogging-Anzüge und dann als Wirtin unseres Dorf-Cafes von sich reden machte. Beileibe keine zimperliche Frau - auch im Umgang mit bösen Männern. Wir fanden sie - verständlicher Weise aufgelöst - vor ihrer zur Zweizimmerwohnung umgebauten Grotte.
Ihre mittlerweile ja auch in die Burgbriefe eingegangene Katze Ginger hatte sie geweckt, weil die Geräusche an der Tür wahrgenommen hatte. Als die Girasole nachsehen wollte, wurde sie auch schon durch eine Lampe geblendet, und dann war der Spuk bereits vorbei, weil im Nu alle Nachbarn auf den Gassen um sie herum standen. Die über 70jährige Signora Ada im Morgenmantel mit Besen bewaffnet, die Zweitbeste im Nachthemd, ich nur in von Hosenträgern gehaltener Hose barfuß und ansonsten nackt. - Eine wahrhaft erschreckende Bürgerwehr, aber zum Lachen war das nicht. Nachbar Vittorio hatte den Überfall auf seine Hin-und-wieder-Ex zunächst verschlafen, kümmerte sich dann aber so rührend um sie, dass sie das Angebot, bei uns zu übernachten, verständlicher Weise ablehnte...

Was sollte die Barfrau unseres Dorf-Cafes schon für Schätze in ihrer Grotte gelagert haben, die dieses kunstvolle Herauslösen des "Sicherheitsschlosses" sinnvoll gemacht hätte? Ob den Carabineri, die erst nach einer geschlagenen Stunde heraufkamen, die Wahl des Tatortes  mehr Sinn machte?...

Auffällig ist immer, dass die von den Räubern ausgesuchten Objekte stets Fluchtwege in drei verschiedene Richtungen bieten, die auf kurze Distanz ins Grüne führen. Die Objekte ihrer Begierde haben ebenerdigen Zugang und werden von keiner öffentlichen Lichtquelle bestrahlt. - Aber das sind nur meine persönlichen Beobachtungen.

Sicher ist - der Burgfrieden ist nachhaltig gestört. Das Frauen-Paar, dem unten ein Appartement am Eingang zu unserer Gasse gehört, meint schon, es würde nach zehn mit ihrem Hündchen nicht mehr Gassi gehen. Dabei ist der Borgo - bedingt durch die Jahreszeit - im Moment ja noch äußerst belebt. Aber die Räuber kommen eben am liebsten zur Ferienzeit....

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