Freitag, 22. Juni 2012

Blende(nde) 80

Regulärer Burgbrief aus aktuellem Anlass:

Ich ertappe mich immer noch dabei, dass ich rüber auf die Burgzinnen spähe. Aber da sitzt er nicht mehr unter seinem riesigen grünen Schirm, um an seinen Memoiren zu schreiben.
"Der Mond hat Blende 8" sollen sie heißen und von seinem einzigartigen Leben als einer der renomiertesten Kamaramänner Deutschlands berichten. Aber so ist das nun einmal häufig mit Menschen, die so übersprudelnd und witzig erzählen können. Sie tun sich schwer, wenn sie das alles auf einmal in begrenzende Zeilen fassen sollen. Vielleicht ist es ja auch immer noch zu früh, denn heute wird er ja gerade mal erst 80, und so wie er hier oben und auch außerhalb der Burg herumgewirbelt ist, hat er noch ein paar kreative Pfeile im Köcher...

Franz Rath - ausnahmsweise darf ich hier in den Burgbriefen den Echtnamen verwenden - hat mit Volker Schlöndorf und Margarete von Trotta hinreißende und epochale Filme gedreht. "Der junge Törless" hat mir ganz persönlich den Weg zu einer Bildsprache eröffnet, mit der ich später einen Teil meines Lebensunterhaltes verdienen konnte. Aber die Gewichtung seines Werkes überlasse ich lieber den Feuilletons, die ihn hoffentlich heute nicht vergessen werden, nur weil er den Trend zum Digitalen und die Computer-Trickserei nicht mitmachen wollte.
"If you are happy with what you get on film - why go digital?" ist einer seiner Wahlsprüche, obwohl er den - was seine private Fotografierei angeht - schon praxishalber längst über Bord werrfen musste.

Franz ist nicht mehr Burgherr. Er sitzt nicht mehr unter seinem Schirm von dem ich ihn nur allzu leicht mit einem gläschen Wein auf die Piazza hinunterlocken konnte. Vielleicht bin ich ja schuld, dass sich seine Memoiren noch verspäten. Im März jedenfalls hat er seine Zinnen mit dem schönsten Rundum-Blick des Borgos verkauft - wohl um spätere, altersbedingte Einschränkungen nicht zuzulassen. Er hinterlässt in der mitunter sehr obeflächlichen Alltäglichkeit hier ein Loch im Künstlerischen. Aber es gibt ja Hoffnung.

Das emeritierte Musikprofessoren-Ehepaar aus Mailand, das schon mal den Flügel hier hoch geschafft hat, ist den darstellerischen Möglichkeiten der Piazza bereits mit konkreten Konzertplänen verfallen. Die Kultur-Tiziana von der Gemeinde wird also wieder neu gefordert werden, und wer weiß - vielleicht schaffen wir ja mit Cinema in Piazza doch noch ein Schlöndorf-Festival mit dem Franz als Ehrengast.

Im Gegensatz zu den anderen hier,  sind wir gut dran und erleiden  keinen Franz-Verlust. Wir wissen ja, dass wir ihn in ein paar Wochen an der Würm in einem Biergarten wiedersehen.
Auch weiß wiederum er, dass für seine Edith und ihn hier auf der Burg jede Menge gemachte Betten warten.

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