Montag, 16. August 2021

Was, wenn Pazifismus nur noch ein Privileg der Sicheren ist?

Taub vom weltweiten Kriegs-Getümmel - die Friedenstaube
Quelle: pinterest

Wenn der Krieg auf seiner eher sanften künstlerischen Seele Schaden hinterlassen hätte, ließ mein Vater es uns Kinder beim Heranwachsen zumindest nicht spüren. Als ich den Kriegsdienst offiziell verweigerte, musste er als hoher Staatsbeamter ganz schön etwas einstecken. Aber sein gepfefferter Brief ans Kreiswehrersatzamt war ein Dokument zu welchem Widerstand er wohl auch während der Nazi-Zeit fähig gewesen war. Leider waren wir uns erst kurz vor seinem Tod so nah, dass wir seine Schussverletzung, die er sich noch kurz vor Kriegsende bei der "Verteidigung" Berlins eingefangen hatte, thematisieren konnten; - auch die Schikanen, denen der an die Ostfront Strafversetze durch auf seine akademische Bildung neidischen Vorgesetzten ausgesetzt war...
Ein Volljurist wider Willen
als Gefreiter in Uniform

Heute Nacht - als ich an die Afghanistan-Katastrophe denken musste - fiel mir erst wieder ein, was er gesagt hatte, als man mich nach zäher öffentlicher Verhandlung wegen meiner rein politischen Argumente dennoch als Wehrdienst-Verweigerer anerkannt hatte:
"Dass dieses Land nach seiner kriegerischen Geschichte innerhalb eines viertel Jahrhunderts so weit gekommen ist, dass es deinen Pazifismus anerkennt, musst du als Privileg betrachten. Ich wünsche dir, dass deine Einstellung nie auf den Prüfstand muss..."

Jetzt bin bald so alt wie er (der zwei Weltkriege überlebt hatte), als er starb. Nie geriet ich in gewaltsame Auseinandersetzungen obwohl ich manche Gegenden bereiste habe, in denen heute nichts als nackter Terror regiert.  Tatsächlich betrachte ich nun meinen Pazifismus von Jahr zu Jahr mehr als tatsächliches Privileg. In meinem Kopf gerät er allerdings zunehmend auf den moralischen Prüfstand .

Was wäre, wenn die Europäische Idee - aus welchen Gründen auch immer - nur noch durch kriegerische Handlungen geschützt werden könnte. Wie man nicht nur am Beispiel Afghanistan sieht, ist dann mein Alter allein kein Grund mehr, sich heraus zu halten. Zwar ist gegen ideologisierte Mordlust gepaart mit Gleichgültigkeit gegenüber dem eigenen Leben ohnehin kein Kraut gewachsen. Aber würde ich mich ohne Widerstand abschlachten lassen oder womöglich durch Flucht dann jenen Anfeindungen ausgesetzt zu sein, wie die Migranten, die bei uns Schutz suchen? 

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