Freitag, 13. August 2021

Party-Piazza

 Objektiv betrachtet ist der von Blumen umkränzte Burghof vor unserer Haustür ja eine Freigang-Zone für das Quasi-Altersheim rund herum. Denn die Teilzeit- und Vollzeit-Residenten haben alle über 70 manche schon über achtzig Jahre auf dem Buckel. Was wir aber unter uns nicht wahrnehmen, weil wir ja bereits zwei Jahrzehnte diese Nachbarschaft genießen.

Jetzt - kurz vor Ferragosto - ist plötzlich alles anders. Auf der Piazza ist die Hölle los!
Vor zwanzig Jahren - wenn ich auch im Winter mal hierher kam, um zu schreiben oder Konzepte zu entwickeln - waren wir zwei außer den damals noch lebenden Hundertjährigen Geschwistern zwei Gassen weiter allein: Die damals noch sehr aktive und verwitwete Gymnasial-Lehrerin im Nebenhaus an der Südost-Ecke der Piazza und ich.

Durch einen Verständnis- oder Hörfehler nannte ich sie für mich und in Texten lange La Perla. Sie war vom Selbstverständnis her, was wir Alten noch "ein heißer Feger" nannten. Immer flott aber eigenwillig gekleidet, und mit ihrer Tiefen Stimme die strenge Schulmeisterin intonierend.

Sie verfügt wohl auch heute noch über umfangreichen Immobilien-Besitz, denn auf einmal war sie hinunter in ihre Azienda agricola zur Mutter gezogen und hatte wie es hieß einen ehemaligen Schüler als Geliebten und später nach eingehendem Prüfen  zum Ehemann genommen. Das war auch praktisch, weil der sich dann nicht nur um Haus und Garten, sondern auch um die diversen Ferienwohnungen kümmern konnte.

Das Nachbarhaus machte sich dann im Laufe der Jahre der Sohn von La Perla - ein Hotelfachmanngemütlich, um mit seiner damals noch intakten Familie die Ferien hier zu verbringen. Eine Familie wie aus einem Werbefilm: Er eine Typ wie Liam Neeson, sie eine bildschöne Blondine - da konnten aus dieser Verbindung nur eine ebenso schönre Tochter und ein attraktiver Sohn hervorgehen. 

Ein paar Jahre haben wir die heißen Tage hier dann in bester Nachbarschaft verbracht, dann hielt die Familie wohl dem unsteten Leben eines Hoteliers nicht mehr stand. So lange sie noch Teens waren kamen sie dann mit den neuen Partnerinnen ihres Vaters noch her. Dann blieben die Kinder weg.
An Ferragosto war im Nachbarhaus allerdings immer Trubel, weil der nun in Rom Gelandete sehr viel Wert auf die Freunde aus seiner Jugend hier legte. Das waren heitere Abende auf der Piazza, die uns immer höflich vorher angekündigt wurden, wenn sie nicht sowieso bei der Cena in Piazza der Nachbarschaft mitmachten...

Daniele, der sich gerne
lang und laut reden hört,
gäbe einen idealen Herold ab

Bei seinem ersten Besuch in diesem Jahr merkten wir schon, dass sieh etwas ändern würde. Bei seiner Mutter war Parkinson diagnostiziert worden. La Perla wollte deshalb nicht mehr so lange unten im Gartenland allein bleiben, wenn sich ihr Mann tagelang wegen der Verwaltung hier oben aufhielt. Das Zähneknirschen war zwar bis in mein Arbeitszimmer zu hören, aber nun ist es so.

La Perla lebt jetzt seit ein paar Wochen wieder hier oben, und schon hat sie es geschafft, dass ihr Haus Mittelpunkt des Borgos ist, weil ihr Mann Daniele nicht nur Gäste von hier betreut, sondern auch seine allesamt jüngeren Freunde um sich versammelt. Ob zum Brindisi am Nachmittag oder zum Umtrunk gegen Abend, die wechselnden Party-Gesellschaften wandern nun mit ihren Stühlen und Tischen beinahe täglich mit dem jeweils verfügbaren Schatten rund um die Piazza.

Wenn man nur durch die Wimpern mit leicht geschlossenem Augen auf den Burghof hinunter schaut, könnte man meinen, das Treiben der Grafen Gandolfo sei wiederbelebt...

Bei gestern gemessenen 31 Grad am Nachmittag
ist auch der Dorfbrunnen
ein Kühlung versprechendes Plätzchen

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