Dienstag, 21. April 2015

Zurück aus dem Mittelalter

Schon als kleiner Junge hatte ich eine besondere Beziehung zum Wasser im Allgemeinen und zum Meer in Besonderem. Von allen Weltmeeren auf oder an denen ich reiste, war mir schon immer das Mittelmeer das liebste. Das Mediterrane wollte ich einst unbedingt als alternativen Lebensraum.

Mein Vater war im Urlaub mehr der Berg-Typ, aber er war fair genug, der Familie auch immer ein paar Strandwochen zu zu gestehen. Aus dem Gebirge herunter kommend, ging es darum, als Erster das sich in den Himmel wölbende Azur zu erspähen. Seither vollzieht sich vom ersten Blick auf das Mittelmeer bei mir ein seelischer Wandel.

Nur diesmal blieb er aus. Kaum aus dem Tunnel hinter Masone raus, bot sich mir eine schwarze Fläche, die sich in dunklem Grau verlor. Ein Sturm peitschte die Autos fast von der Autostrada del Fiori, und statt der üblichen über 20 Grad zwangen knapp über zehn, die Auto-Heizung hoch zu drehen.  Ein böses Omen!

Auf der Burg angelangt, mussten wir feststellen, dass die ENEL, die immer noch fast monopolistisch agierende Stromversorgerin Italiens in unserer Abwesenheit den Strom abgestellt hatte. Annähernd 15 Jahre wurde uns der jeweilige Betrag für den Verbrauch vom Konto abgebucht. Das Konto war immer ausreichend versorgt. Keine Ahnung, was da vorgefallen war, obwohl sich unser hübscher Hausgeist Alicia mit 500 Euro von Freundin Petronella zur Schadensbegrenzung noch vor dem Wochenende auf den Weg ins Tal gemacht hatte.

Nachbarn boten uns spontan warmes Asyl an, aber unser Ur-Instinkt, sich gegen Unbilden aufzulehnen, war da schon geweckt. Endlich zahlte sich das Kandelabern mit unzähligen Kerzen der Zweitbesten aus. Eine Batterie betriebene Flacker-Kerze von der Schwägerin tauchte das Bad in sicheres Schummerlicht. Wir spielten, als seien wir quasi von der Außenwelt abgeschlossen. Ohne Strom geht ja keine Heizung, kein Warmes Wasser, kein Telefon, Handys mit leerem Akku lassen sich nicht mehr aufladen, und Computer gehen natürlich auch nicht.

So früh waren wir unter Decken-Bergen noch nie im Bett, und das späte Aufstehen in der Kälte war immer noch eine Tortur. Zum Heizen stellten wir alle Gasflammen am Herd an. Und zum Waschen brachten wir das Wasser  in unseren größten Töpfen zum Kochen.

Als die Sonne über den Berg-Kamm im Osten stieg, drehten wir uns in ihren lauwarmen Strahlen wie die Armen in Fellinis "Wunder von Mailand". Unser Mittelalter, das ja wegen der Gas- und Wasser-Versorgung streng genommen keines war, dauerte nur zweieinhalb Tage.

Die freundliche Dame bei der ENEL erläuterte uns auf unsere Beschwerde hin das Geschehen:
Erstens sei die Programmierung mit der SEPA nicht zurecht gekommen, zweitens sei die Firma umstrukturiert worden und drittens hätten wir ja auf die Mahnungen nicht reagiert. Was wir nicht konnten, weil wir da ja schon in Deutschland waren. Wozu hätten wir denn das Abbuchungsverfahren (addebitare)?

Statt einer Entschuldigung kam der nächste Hammer. Es müsse ja sowieso ein neuer Vertrag abgeschlossen werden, und weil das ein offizielles Dokument (zwar unsichtbar im Computer-System...) sei, müsse eine Carta-Bollata bezahlt werden - für 85 Euro!!!

Bei nur einer Million solcher "neuen Verträge" sind das 85 Millionen ohne Gegenleistung in die Staatskasse. Bravo Herr Renzi! Den Trick verraten Sie am besten auch gleich den Griechen!

Viva l'Italia! Heute in der Frühe hatten wir wieder Strom. Wir sind zurück aus dem Mittelalter.


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