Donnerstag, 30. April 2015

Taschenspiele

Ephraim Kishon, der israelische Satiriker, dessen besonderer Erfolg in Deutschland auch seinem kongenialen Übersetzer Friedrich Torberg geschuldet war, spekulierte bereits über voluminöse Damen-Handtaschen:

Es war die Handtasche der Ministerpräsidentin Golda Meir (ausgesprochen Me-hier - damit es nicht zu deutsch klang). Kishon vermutete, sie habe das Riesen-Ding deshalb immer am Arm parat gehabt, damit sie auch ein H-Bömbchen  mitführen konnte...

Der Ehemann der "besten aller Ehefrauen" hätte sein blaues Wunder mit der "Zweitbesten" erlebt, mit der ich seit 40 Jahren das unglaubliche Privileg genieße, ihr Gemahl zu sein. In puncto Realität ihrer diversen Taschen-Inhalte verblasst bei der Suche nach Konkretem jegliche Satire.

Wir haben so unsere Rituale. Zu denen gehört nach dem Marktbesuch ein kleines Mittagessen am Hafen. Nach dem Essen und vor dem Espresso wird der Einkaufszettel erstellt, den wir noch für den Einkauf im Hypermercato  brauchen. Längst habe ich ihr angeboten, den Einkauf nach logistischen Gehwegen in mein Smartphone zu tippen, aber sie ist und bleibt eben Traditionalistin. Wenn ich das machte, stellte ich mir böse grinsend die Kryptologen von der NSA vor, die natürlich mein Handy überwachen und sich mit folgenden Codes herummühen:
Toip b
Küro s
Alk
Misajoei
2 Pros
usw

Wenn sie nach gefühlten zehn Minuten endlich das kleine Büchlein vom Grund ihrer Tasche hoch getaucht hat, in das sie die Bedarfslisten seit je her einträgt, beginnt die Suche nach einem Schreib-Gerät:

"Ich weiß, ich habe einen Kuli hier drin."
Was sie hervor zaubert, sind Einzelteile, die sie mit äußerster Sorgfalt auf dem Tisch ausbreitet.
"Mach mal!", baut sie auf mein nicht vorhandenes handwerkliches Geschick. So schwer sei es ja nicht, einen derart simpel konstruierten Kuli zusammen zu setzen.

Ist es auch nicht, weshalb ich sehr erschrecke, als sich die Plastikmine wie ein Cruise-Missile in die Pasta einer drei Meter entfernt sitzenden, französischen Familie bohrt. Als Mann von Welt weiß ich natürlich, dass rund um Paris gerade Frühjahrsferien sind. Deshalb marschiere ich nonchalant an deren Tisch und zucke mit den Achseln:
"Le Bic c'est le Bic n'est-ce-pas!", und fische das nun sogar dampfende Teil aus der roten Sauce, lecke mir die Finger ab und sage: "Bien fait l'arabiata!"

Wie ich das in den Mantel-und-Degen- Filmen gelernt habe, entferne ich mich rückwärts gehend unter mehreren Verbeugungen. Die französische Familie schaut mich an wie einen extraterrestre - einen Außerirdischen.

Irgendwie habe ich den Bic dann doch noch richtig zusammengesetzt, damit die "Zweitbeste" ihre Liste verfassen konnte. Von deren Diktat ich mich natürlich auf meinen logistisch vorgemerkten Wegen durch die Regale im Supermarkt sofort unabhängig gemacht habe. Als ich mit vollem Wagen an der Wurst-Theke feststelle, dass sie immer noch mit ihrem bebrillten Lieblingsverkäufer ratscht, frage ich sie:
"Was steht sonst noch auf der Liste."
"Keine Ahnung! Ich habe meine Tasche durchstöbert, aber das Buch nirgends gefunden. Aber du hast ja so ein tolles Gedächtnis!"

Das Büchlein lag dann im Auto auf dem Armaturen-Polster, und ich dachte mir - zärtlich in mich hinein grinsend:

"Ach Ephraim! Zweiter Platz ist doch auch nicht schlecht!"

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