Freitag, 24. April 2015

Artischocken für Leute, die keine Artischocken mögen

Das fortschreitende Frühjahr ist hier oben meine Lieblingsjahreszeit. Die Nächte sind kühl zum Einkuscheln, und die Sonne ist dann aber schon so stark, dass auf den Wiesen und am Wegesrand allerlei Leckeres zu sprießen beginnt: Aglio d'Ursino (ein etwas anders aussehender Bärlauch), dessen winzige Knollen mit den kleinen Zehen sehr aromatisch sind. Oder der wilde Spargel...

Leider bin ich mittlerweile zu faul, selber zu suchen. Aber ich weiß, wo die Stände am Markt sind, und mittlerweile kennen mich auch die einschlägigen Händler, die mir zurufen, dass sie etwas haben, das mich interessiert.

So gab es am Mittwoch die frischen, kleinen Artischocken aus Albenga, die hinter den doppelt so teuren aus dem Süden Italiens lagen. Das Gartenland von Albenga erzeugt auch den berühmten schwarzen Spargel, der aber zu Beginn der Saison vergleichsweise teuer ist.

Elf Artischocken für fünf Euro - ein Schnäppchen!

Wer Artischocken liebt, der versteht die Diskussion nicht, ob nun die kleinen leckerer sind als die großen. Bei mir ist es nicht wie beim Obelix mit den Römern. Ich nehme sie in jeder Größe. Ob die Granaten aus der Bretagne oder der Camargue oder die kleinen, wie sie vornehmlich in Italien eingelegt werden. Bei der "Zweitbesten" ist das anders. Sie mag die Nagerei an den Blättern nicht und das Abgefussel vom Heu auf den leckeren Böden, die sie hingegen sehr schätzt. 15 Jahre Zusammenleben hatte es gebraucht, bis sie mir eingestand, dass sie Artischocken nicht wirklich mag.

Seither ersinne ich immer neue Darreichungsformen, die ihr schmecken könnten. In Venedig am Markt unter der Rialtobrücke gibt es im Sommer von den Großen nur die geputzten Böden. Frittiert oder gekocht mit einer Vinaigrette - das ist einfach. Aber wenn sie die stacheligen Kleinen sieht, muss es schon raffinierter sein.

Gestern habe ich sie so zubereitet, dass sie noch zwei Stunden hinterher vom Abendessen schwärmte - zumal es leicht und rein vegetarisch war...

Vielleicht hat der geneigte Leser ja Spaß, das hier nach zu kochen:

Geschmorte Artischocken mit Butter-Risotto 


Zutaten für vier Personen als Vorspeise:
12 kleine Frühjahrs-Artischocken
1 Bechertasse runden Risotto-Reis
2 junge Zwiebeln
4 Zehen vom gerade erhältlichen grünen Knoblauch
60g Butter
1 gehäufter Tee-Löffel braunen Zucker
1 Liter Gemüse-Fond (es gehen auch gute Gemüse-Brühwürfel)
Frischen Parmesan zum hinein Hobeln
2 Esslöffel Balsam-Essig
Reichlich gutes Olivenöl

Zubereitung:
Mit einem scharfen Messer die Artischocken ungefähr in der Mitte der Knospe kürzen und von allen restlichen Stacheln befreien. Dann die harten Blätter so abbrechen, dass das Weiße am Fruchtkörper bleibt. So vorhanden - die Stiele mittig teilen und  die geriffelte Oberfläche sorgfältig - bis das Mark durchschimmert - abschälen. Viele schmeißen die Stiele weg. Sie sind aber fast genauso lecker wie die Böden.
Die beschnittenen Artischocken in einen großen, flachen Topf legen, gut salzen und Wasser zugeben bis sie bedeckt sind. Dann eine halbe Stunde köcheln.

Während die Artischocken köcheln, die Gemüse-Brühe zum Sieden bringen. Jetzt kommt etwas, das Risotto-Traditionalisten vielleicht verwirrt: Der Reis wird nicht angeschwitzt, sondern in die reichlich vorhandene Brühe geschüttet. Nach gut zwanzig Minuten ist der Reis gequollen und al dente. Dann wird die überschüssige Brühe abgegossen und zunächst unter permanentem Rühren und Reduzieren die Butter hinzu gegeben.

Inzwischen ist das erste Stadium der Artischocken erreicht. Die Teile mit der Loch-Kelle heraus holen und gut abtropfen lassen. Der Sud wird weg geschüttet. 
Jetzt kommt der zweite Schritt mit der Belohnung für den Koch. Noch vorhandene harte Blätter werden abgelöst und abgenagt. die Biss-Probe dient gleichzeitig dazu, sicher zu gehen, dass der restliche Blattstand samt Herz komplett verspeist werden kann...

Reichlich Öl in den gleichen Topf und die gehackten jungen Zwiebeln und Knoblauch scharf anbraten. Dann die Artischocken wieder in den Topf geben, den Braunen Zucker dazu geben, Pfeffer nach Gusto, und kräftig wenden. Dass sich dabei noch Blätter lösen, macht nichts, denn das Gekröse wird nachher über die fertigen Artischocken auf dem Teller gegeben. Flamme entweder ganz aus oder auf niedrigste Stufe.

Inzwischen ist der Risotto soweit reduziert, dass er nicht nur schlohweiß, sondern auch schön schlunzig ist. Jetzt wird nicht zuviel frischer Parmesan dazu gehobelt und untergezogen. Der Käse soll abrunden, nicht vorschmecken.

Eine Kelle Risotto und drei Artischocken nebeneinander auf einem großen, tiefen Teller anrichten (wegen der Optik!). Fertig!

Buon appetito! 


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