Donnerstag, 19. September 2013

Arrivederci!

Poetischere Menschen beschreiben ja Abschiede von jemandem, den oder etwas, das man liebt als kleine Tode. Durch meine Reisen und die vielen Menschen, die ich dabei traf und gerne wieder gesehen hätte, ist meine Seele in dieser Beziehung vernarbt gewesen. Seit ich allerdings auf die Burg gezogen bin, hat sich das geändert. Und das hat nichts mit dem Alter zu tun, sondern eher mit dieser Geborgenheit im Borgo.

Hinzu kommt, dass einem Italien durch die magischen Momente bei so einem Anlass das Fortgehen oft doppelt schwer macht. Gestern - nach einigen Anlaufschwierigkeiten - hat es wieder geklappt mit den Nachbarn. Wir haben uns ab drei Uhr, damit es nicht zu spät würde, an mit vielerlei Speisen und Getränken schwer beladenen Tischen auf der Piazza niedergelassen. Und dann wurde vielsprachig drauflos gequatscht, als gäbe es kein Morgen mehr.
Ja, dann war es am Ende doch wieder zehn, und es gab keine Minute Langeweile.

Signora Ada brachte einen Bio-Pigato mit, der in den ehemaligen Ölflaschen vom Supermarkt derart dickflüssig stand, als sei er noch welches. Als ich den ersten Schluck getrunken hatte, musste ich Ada unbedingt erzählen, wie ich mit meiner Mutter einmal in San Angelo d'Ischia auf dem Steilufer über der Bucht mit den Schwefelquellen in einer angemieteten maurischen Villa die Vorhut für einen Urlaub ohne den Vater gebildet habe. Das war ein wenig wie hier auf der Burg, denn die Autos mussten vor dem Ort bleiben und der Fußweg hinauf dauerte gut zwanzig Minuten. Ein Esel der Alimetari brachte unser reduziertes Gepäck und Lebensmittel für die Ankunft. Darunter zwei riesige Korbflaschen mit Wein, aber kein Wasser. Das Wasser aus der Dach-Zisterne war ausdrücklich nicht zum Trinken. Aber wir hatten eben Durst, und es war auch schon dunkel - in einer noch unbekannten Umgebung. Also machten meine Mutter und ich uns über den Wein her, der ähnlich eigenwillig schmeckte wie der von Ada. Harzig, schwer - aber doch irgendwie süffig. Ich war 14 und träumte da noch von einer Karriere als Schwimmer. War also an überhaupt keinen Alkohol gewöhnt. Unter mütterlich fürsorglicher Begleitung versank ich im ersten Vollrausch meines Lebens, und ich konnte mich später nicht daran erinnern mit meiner Mutter je wieder eine so innige Zweisamkeit erlebt zu haben.

Es wurde auch in anderen Beziehungen  noch ein denkwürdiger Urlaub. Meine zweite Schwester traf ihren späteren Ehemann, und ich meine erste große Liebe - Pau - die Tochter des großen Cellisten Paul Tortelier, die selbst schon auf dem Weg zu einer überragenden Pianistin war...

Als unsere beiden Musik-Professoren diese Namen hörten, waren wir gleich im nächsten Themen-Kreis. Und so ging das weiter, bis man begann, sich gegenseitig die Häuser hier zu zeigen. Überraschender Weise
begann mir der Bio-Wein mit jedem Glas besser zu schmecken und linderte die traurige Erkenntnis, das unsere Tage hier  bis zum kommenden Jahr gezählt sind.

Übrigens hatte ich weder damals auf Ischia noch heute während des Schreibens mit "Nachwehen" zu kämpfen. Was bei dem Quantum doch einigermaßen überrascht.

Ein Nachsatz für alle, die so ein Leben in zwei Welten auch anstreben und dabei davon träumen, einst nur mit einem Handtäschchen hin- und her zu reisen: Vergesst es!

Ich fange jetzt mal mit dem Packen an, weil die Zweitbeste, die immer ein wenig unentschlossen ist, was sie mitnehmen will, viel länger dazu braucht. Sie hat aber nur die eine Hälfte des Riesenkoffers, auf den wir uns letztlich geeinigt haben.

Bleibt uns bitte gewogen! Ciao, arrivederci!

Ab dem 25. September fliegen wieder Steine aus dem Glashaus - und zwar nicht zu knapp!

http://steineausdemglashaus.blogspot.com/


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