Freitag, 2. Oktober 2020

Bewahren oder Aufbewahren

Es liegt in der Natur des älter Werdens, dass sich das Verhältnis zwischen Erwartungen und Erinnerungen immer mehr zu dem bereits Erlebten verschiebt. Zu sehr an den Erinnerungen zu hängen, offenbart aber auch eine Schwäche: Es fällt schwer, sich von ihnen zu trennen - vor allem wenn sie stofflich sind.

So eine Dauerbrenner-Sendung wie "Bares für Rares" verdeutlicht, dass wir oft mehr anschaffen, als wir brauchen und so lange darauf sitzen bleiben, bis andere mit der Entsorgung belastet werden. Das professionelle Auflösen von Haushalten Verstorbener erreicht ja längst gewerbliche Dimensionen. Denn dazu kommt leider die Erschwernis, dass die angesammelten Dinge ja nicht mehr nur einfach auf die Straße gestellt werden dürfen, sondern vielerorts nach Regeln beim Sperrmüll oder im Wertstoffhof entsorgt werden müssen.

Vor ein paar Jahren noch war das hier im Tal eine komplizierte Sache. Bevor das Zeug hinunter in das neu geschaffene Areal mit seinen drei Verteiler-Ebenen gebracht werden durfte, musste die Gemeinde aufgesucht werden, wo auf einem Formblatt die zu entsorgenden Dinge detailliert aufgelistet und abgestempelt wurden. Bei der überwiegend betagten Bevölkerung in den aussterbenden Dörfern war das aber wohl wenig praktikabel. Deshalb macht jetzt immer ein großer Laster am ersten Donnerstag im Monat die Runde für die "rifiuti ingombranti". Das war also gestern.

Schon vor Wochen hatten wir daher zwei jüngere Nachbarn um Entrümplungs-Hilfe gebeten, die auch immer scharf auf Dinge für ihre Flohmarkt-Stände sind. Jene sind in dieser Region mit ihrem nicht geringen Anteil an Migranten und auszubauenden und einzurichtenden Ferienhäusern immer noch essentiell.

Meine Frau und ich waren uns schon vor der Operation-Cantina einig, dass nur radikale und rücksichtslose Härte zählt. So gingen die beiden Helfer dann auch vor. 20 Jahre Aufbewahren und Ansammeln von Dingen, die einmal unverzichtbar wichtig für unser Leben waren, wurde sortiert nach Brauchbarkeit auf der Gasse zwischengelagert. Einer der viele Steuergelder verschlingenden, nun nicht mehr genützten Stollen von Gorleben wäre da wohl an seine Kapazitäts-Grenze gelangt. Zum Schluss sah ja unsere eigentlich wie ein Appartement gestaltete Cantina tatsächlich aus, als sei sie von "Messis" bewohnt worden. Erschwerend kam nach dem regnerischen Winter auch noch ein Schimmel-Befall aus der "Grotte", die unter die Piazza reicht.

Als alles draußen war, beflügelte uns ein Gefühl der Erleichterung, das an Euphorie grenzte und in der rhetorischen Frage gipfelte: "Wieso haben wir das nicht schon viel früher gemacht?"

Quelle: citiweb bergisch gladbach

Ich konnte meiner Frau aber nicht gleich gestehen, dass es mir während dieses Entrümpelns mehrfach fast das Herz zerrissen hätte. Denn da wurde ja nicht nur meine sportliche Vergangenheit (Renn-Ski, Golf-Set, Tennisschläger, Mountain-Bike, Maß-Skistiefel etc) fort getragen, sondern auch Erinnerungen an Abenteuer wie bei meinem Expeditions-Rucksack und den Bergstiefeln, die mich durch den Himalaya und über die Krater von Reunion begleitet haben. Auch eine ganze Fotostudio-Einrichtung wurde entsorgt, in der ich die Mountain-Bikes aus unseren Tests gleich hier vor Ort fotografiert hatte. Wer sagt, dass man nur an seinen Kindern erkennt, wie alt man geworden ist? Aber solche sind eben auch Erinnerungen, die sich gut im Herzen bewahren lassen...

Hilfreich ist es, dass ich eine Frau habe, die bei solchen Anlässen geradezu tiefenphilosophische Erkenntnisse formuliert:
"Weist du, am besten nutzt man Räume zum Abstellen,  indem man nichts in ihnen abstellt."

Ich werde sie bei nächster Gelegenheit daran erinnern, denn seit anderthalb Jahren stehen in unserem Keller in München Regale original verpackt, mit denen meine Tochter das Chaos im Verschlag beseitigen wollte. Wir schieben die Schuld, dass noch nichts geschah, bislang einfach auf Corona.

Achja, natürlich bei Amazon 
gäbe es dann dann den richtigen Ratgeber


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