Sonntag, 13. Mai 2012

Im Hier und Jetzt

Nun ist auch der letzte der Ruinen-Baumeister von uns gegangen. Vor ein paar Tagen war er trotz seiner schweren Erkrankungen noch hier, um persönlich den Zugang zu einer Baustelle über seinen herrlichen Garten zu regeln. Jeder, der ihn gesehen hatte, berichtete von seiner Hinfälligkeit und knüpfte daran Ahnungen von einer letzten Begegnung. Jetzt kam die Nachricht vom Tod  des 80jährigen in seiner deutschen Heimat.

Heimat? Dieser Begriff war gerade bei ihm ja kaum noch zuzuordnen. Mehr als drei Jahrzehnte hat er den Borgo hier mit oft mirakulöser Kraft dem Verfall entrissen. Und mehr als die anderen Ruinen-Baumeistert hat er sich mit seinem Schaffen in das Leben der ganzen Gemeinde eingebracht. Er schaffte sich regelrecht rein, was Landsleuten, die vielleicht anders beseelt waren, auch schon mal auf die Nerven ging. Schließlich wollten sie ja dem manifestierten Deutschen Wesen hier auf der Burg entgehen und auch nicht unaufgefordert Ratschläge annehmen...

Aber auf eines war Verlass:Er war eben da, wenn er gebraucht wurde. Bei Signora Electra war das Ofenrohr verstopft, bei Magda die Dachrinne leck, die kleine Kapelle am Ortsrand drohte einzustürzen, es musste eine Gemeindefahrt organisiert oder nach einem Sturm Dachziegel in schwindelnder Höhe ersetzt werden  Bei Prozessionen ging er vorne mit, und er war dabei, wenn die Reise zur spanischen Partnergemeinde ging.

Noch vor ein paar Jahren hatte er seine bärenstarken Enkel zur Ferienarbeit eingespannt, um an seinen Garten grenzende Gebäude herzurichten. Die Art wie diese jungen Männer beim Dorffest von ihrem Opa sprachen, hat mich schwer beeindruckt und auch ein wenig neidisch gemacht. Es wuchs die Erkenntnis, dass Größe nicht unbedingt mit Berühmtheit zu tun haben muss. Im Hier und Jetzt seine Kraft für Passionen einzusetzten, anstatt dem Tode entgegen zu gammeln, kann viel mehr Ruhm bedeuten. Selbst wenn man am Ende von "seinem Sach" nichts mitnehmen kann.

Dann hat ihn die Kraft langsam verlassen, aber die Passion wirkte weiter. Auf meinen Wanderungen durch die Campagna kam ich oft an seinem Weinberg und seinen Obstgärten vorbei, die ein gutes Stück vom Ort entfernt lagen. Was Pflege, Beschnitt und Ertrag anging, waren das landwirtschaftliche Muster-Anlagen, und als er sich von ihnen trennen musste, weil die Hände nicht mehr mitmachten, war das wohl der Anfang vom Ende.

Die oft verschlossenen Ligurer haben ihn - trotz seiner mannigfältigen Bemühungen vielleicht nicht in ihre Herzen gelassen, aber er war für sie auf jeden Fall ein uomo di rispetto. Was dadurch zum Ausdruck kam, dass sie vor die italienische Version seines deutschen Vornamens, wenn sie von ihm sprachen, das Don setzten:
Don Rolando.

Morgen hält unser junger, tamilischer Pfarrer zu seinem Gedenken in der großen Kirche eine Art Requiem für ihn ab. Ich werde wohl nicht hingehen, sondern mir stattdessen lieber vorstellen, wie er im Himmel angekommen, seinen Platz im dortigen Baubüro - wie einst auf Erden - gegenüber von  Don Bertoldo einnimmt. Der war ihm ja im vergangenen Jahr vorangegangen. Und dann werden sie wohl Petrus ersteinmal so richtig bescheid stoßen, was er dort oben wolkenbautechnisch so alles verbockt hat

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