Sonntag, 27. Mai 2018

Zur inneren Einkehr

Nie hätte ich gedacht, dass ich noch einmal Laufen lernen muss. Aber die autofreie Burg ist unerbittlich. Proviant und Getränke den steilen Weg hochschleppen und dabei die Schmerzen aushalten. Ich versuche ihnen auszuweichen, was aber dann an anderen Stellen weh tut.

Die Zeiten sind vorbei, in denen ich die drei Krater von Reunion an zwei Tagen geschafft habe. Aber die Ärzte haben uns den täglichen Spaziergang frei von Ambitionen wärmstens empfohlen. So machen wir hier oben unsere Runde und stellen fest, dass sich fast nichts verändert hat in den zwei Jahrzehnten. Aber da wir viel langsamer gehen und Pausen machen, entdecken wir neue Details.

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Goethe hat wohl ähnliche Erfahrungen gemacht.

Auch hier war der Frühling nach einer kurzen Hitzewelle verspätet. Beim Wetter und in der Natur gibt es keinen verlässlichen Rhythmus mehr. Die einen stehen noch in voller Blühte, während andere schon verblüht sind. Schade, dass die Kräuter kundige Nachbarin nach einer Hüft-OP noch nicht wieder zurück ist. Sie könnte uns mit ihren Rezepturen in puncto Heilkraft vielleicht den einen oder anderen Hinweis geben

In unserem Kräuter-Garten fehlt noch der Koriander,  mit dem uns der Vize-Bürgermeister auf dem Markt stets versorgt. Aber in diesem Jahr will er nicht recht wachsen. Der Bärlauch, dessen kleine Wurzel-Knollen wir als Aglio Orsino gerne  verwenden, blüht nur schütter und müsste folglich ausgegraben werden. Da lassen wir ihn lieber stehen und warten auf die Knoblauch-Messe am 2. Juli.

Mein atheistischer Vater ließ keine Kirche auf unseren Reisen aus. So war ich bis ins Flegel-Alter ziemlich genervt, hatte aber alle wichtigen sakralen Bauten in Europa gesehen, und konnte sie dem entsprechend samt Baustil vor dem geistigen Auge abrufen. Wenn ich auf meine späteren Reisen zurück blicke, habe ich es, ohne weiter darüber nachzudenken, meinem Vater nachgemacht. Vielleicht muss einen das Leben erst reif machen  - für die innere Einkehr. Ich habe die wichtigsten Bauten der Weltreligionen ziemlich vollständig gesehen, und ließ mich trotz meiner Agnostik immer wieder einfangen und baute so meinen jeweiligen Produktions-Stress ab.

Hier reicht mir heute eine kleine Kapelle, an der ich verschnaufe und auf das Meer hinunter schaue...

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